Digital kompetent für eine selbstbestimmte Zukunft
Die Digitalisierung ist kein Naturereignis, dem man sich ergeben muss, sondern eine technische Entwicklung, die wir alle mitgestalten können und sollten, sagt Roland Dathe von der Initiative D21, Deutschlands größtem Netzwerk für die digitale Gesellschaft. In diesem Gastbeitrag berichtet er, wo und wie die Menschen ihre digitalen Kompetenzen erlangen und was das "Haus der kleinen Forscher" damit zu tun hat. Deren Konzept kennt er sehr gut – er hat lange bei der Bildungsinitiative gearbeitet.
Noch vor 15 Jahren hätte man sich nur schwerlich ausmalen können, wie stark digitalisiert unser Alltag heute ist. Zur Erinnerung: Das erste richtige Smartphone kam mit dem iPhone im Jahr 2007 auf den Markt. Heute besitzen 84 Prozent der BürgerInnen in Deutschland ein Smartphone*1 und tragen ganz selbstverständlich das Wissen der Welt in ihrer Hosentasche, verschicken in Echtzeit Fotos aus dem Urlaub an die Familie oder lassen sich den Weg durch ein unbekanntes Terrain navigieren. Das war vor 15 Jahren noch Zukunftsmusik – unsere Welt verändert sich in atemberaubendem Tempo und wir sind mittendrin.
Der Erwerb digitaler Kompetenzen hat viel mit Haltung zu tun
Jetzt stellt sich aber die Frage, woher kommen diese Kompetenzen? Nur ein knappes Drittel der Bürgerinnen und Bürger glaubt beispielsweise, dass die Schulen die notwendigen Kompetenzen vermitteln.*2 Als Initiative D21 haben wir in unseren Studien festgestellt, dass der Erwerb von Kompetenzen viel stärker auf informellen als auf formellen Lernwegen passiert: Durch Ausprobieren, dadurch, dass man sein Umfeld um Rat fragt, sich etwas anliest oder anschaut. Formale Angebote wie Fortbildungen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Ich bin daher davon überzeugt, dass der Erwerb digitaler Kompetenzen auch viel mit Haltung zu tun hat: Bin ich Neuem gegenüber offen eingestellt und interessiere ich mich dafür, wie es funktioniert und was dahinter steckt? Stelle ich Fragen, bin ich bereit, einfach mal auszuprobieren, meine Schlüsse zu ziehen und darauf aufzubauen?
Es tut allen gut, sich eine gewisse Neugier zu bewahren.
Roland Dathe
Das sind alles Grundkompetenzen, die auch das "Haus der kleinen Forscher" fördert. Aus meiner Zeit bei der Bildungsstiftung habe ich auch mitgenommen, dass die Initiative Kinder dabei unterstützen will, zu starken Persönlichkeiten heranzuwachsen, die sich selbstbestimmt und kritisch in unserer komplexen Welt bewegen können. Dazu gehört heute untrennbar die Digitalisierung – und diese wird zukünftig noch viel stärker eine Rolle spielen. In der Tat glaube ich, dass dort ganz viel Schnittmenge vorhanden ist und das "Mindset", das durch entdeckendes und forschendes Lernen entstehen soll, auch eine gute Grundlage für die sich schnell wandelnde digitalisierte Welt darstellt. Aber das ist natürlich nichts, was nur für Kinder gilt: Uns allen tut es gut, wenn wir uns eine gewisse Neugier bewahren und erst einmal offen, aber auch reflektierend an Neues herangehen.
Die Digitalisierung ist kein Naturereignis, dem man sich ergeben muss
Ob uns die Digitalisierung in Zukunft mehr Vor- oder mehr Nachteile bringen wird? Nun das liegt zu einem großen Teil an uns. Ich glaube, es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen: Die Digitalisierung ist kein Naturereignis, das über einen kommt und dem man sich ergeben muss. Ganz im Gegenteil, wir können als Gesellschaft den Kurs bestimmen, den wir einschlagen möchten. Dafür ist es aber wichtig, dass sich möglichst viele an diesem gesellschaftlichen Diskurs beteiligen – und dafür das nötige Rüstzeug mitbringen.
*1: 84% der deutschsprachigen Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren. (Quelle: D21-Digital-Index 2020 / 2021)
*2: 32% glauben, dass Schulen die benötigten Fähigkeiten im Umgang mit der Digitalisierung vermitteln, so dass die SchülerInnen im internationalen Vergleich gut mithalten können. (Quelle: D21-Digital-Index 2020 / 2021)