Digitalwerkstatt für Energiebildung an Grundschulen
Wie sieht gute Energiebildung im Grundschulunterricht aus und wie können digital gestützte Lernangebote hier pädagogisch sinnvoll unterstützen? Welche digitalen Anwendungen gibt es schon und welche würden Lehrkräfte gerne selbst erfinden? Die Suche nach Antworten führte die Stiftung "Haus der kleinen Forscher" in ein ko-kreatives Projekt mit 22 Grundschulpädagogen.
Die innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft hat zwischen 2016 und 2018 das "Digital Lab" in der Stiftung "Haus der kleinen Forscher" ermöglicht und gefördert – mit dem Ziel, die Energiebildung von Kindern im Grundschulalter langfristig und nachhaltig zu verbessern. Im Rahmen dieser ersten Projektkooperation sind unter dem Motto "Energie ist überall!" bereits drei digitale Produkte entstanden: zwei kostenfreie Apps – eine WimmelApp und eine digitale Schnitzeljagd (beide Anwendungen sind auch als Webversion erhältlich) – und ein Online-Kurs zur Energiebildung in der Grundschule für das Selbststudium.
Unsere digitalen Angebote kamen bei Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrerinnen und Lehrern gut an. Und doch ließen uns als Fortbildungsstiftung damals zwei Fragen auch nach Projektabschluss nicht mehr los:
- Auf welchem Weg können wir die Zielgruppe der Grundschullehrkräfte schon vor der Testphase unserer Produkte verstärkt einbeziehen, um neue Lernmittel noch bedarfsgerechter zu gestalten?
- Stehen Grundschullehrkräfte dem Einsatz digitaler Medien noch aufgeschlossener gegenüberstehen, wenn sie selbst zu Akteuren einer Produktentwicklung werden?
Zur Beantwortung dieser Fragen starteten wir mit einem vierköpfigen Team und erneuter finanzieller Unterstützung der innogy Stiftung im März 2019 ein experimentelles Folgeprojekt: das Workshopangebot "Digitalwerkstatt Energie".
"Digitalwerkstatt Energie" – Lernwerkstatt trifft Makerspace!
Mit der "Digitalwerkstatt Energie" wollten wir bis zu 24 Grundschullehrkräften einen Arbeits- und Experimentierraum bieten, in dem sie mit etwas Hilfestellung in kurzer Zeit selbst Ideen für digitale Produkte entwickeln können. Produkte, die sie gerne in ihrem eigenen Unterricht zur Energiebildung einsetzen würden. Zudem wollten wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Projekterfahrung inspirieren, die Begeisterung für ko-kreative Arbeitsweisen und Anregungen für den Einsatz digitaler Medien in ihr eigenes schulisches Umfeld mitzunehmen. Denn klar ist: Bei der erfolgreichen Gestaltung des digitalen Wandels werden auch die Grundschulen als Bildungsorte gefordert sein.
Gesagt, getan: Im Frühjahr/Sommer 2019 schalteten wir einen Aufruf an sämtlichen Grundschulen in Berlin und in der Region Hannover und boten den dortigen Lehrkräften die kostenlose Teilnahme an einer dreitägigen Fortbildungsreihe an, die gestückelt zwischen September und Dezember 2019 stattfinden sollte. Konkret gaben wir den Lehrerinnen und Lehrern folgende Anreize für die Projektteilnahme:
- Sie bekommen die Chance, selbst zu Entwicklerinnen bzw. Entwicklern zu werden und Anwendungen zu erschaffen, die ihnen selbst nützlich und sinnvoll erscheinen.
- Sie erhalten die Möglichkeit, sich zum Einsatz digitaler Medien in der Grundschule auszutauschen und gemeinsam Nutzungsszenarien zu entwickeln.
- Sie lernen bereits existierende digitale Anwendungen kennen und erhalten von der Stiftung "Haus der kleinen Forscher" und den anderen Teilnehmenden Anregungen, wie sie sie in ihrem Unterricht einsetzen können.
- Sie lernen "Design Thinking" kennen und erhalten Anregungen, wie sie die Methode in die eigene Unterrichtspraxis übertragen können.
- Und last but not least: Die Workshops werden sowohl in Berlin als auch in Niedersachsen als Lehrerfortbildung anerkannt.
Was uns nach erfolgreicher "Akquisephase" besonders freute: Neben einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis kamen die Bewerbungen aus unterschiedlichen Schulen und bildeten damit die Vielfalt der deutschen Grundschullandschaft sehr gut ab (Brennpunktschulen, Privatschulen, Reformschulen, Regelschulen, Großstadt, Kleinstadt etc.).
Design Thinking - ein Experiment für uns alle
"Design Thinking" erfreut sich neben anderen agilen Methoden wie Scrum & Co. wachsender Beliebtheit, um Organisationen zu einer dynamischen und zielorientierten Innovationskultur zu verhelfen. Projektbezogen soll sich der "Design Thinking"-Ansatz zudem gut eignen, um (selbst heterogene) Gruppen schnell zu befähigen, komplexe Probleme kreativ und nutzerzentriert zu lösen und gemeinsam Prototypen zu entwickeln. Das wollten wir mit "unseren" Grundschullehrkräften ausprobieren!
Mit der Organisation und Durchführung einer Auftaktveranstaltung und zwei Design-Thinking-Workshops mit den jeweiligen Schwerpunkten "Ideation" (Idennentwicklung) und "Prototyping" (Prototypenentwicklung) gaben wir die Rahmenbedingungen vor. Die Inhalte sollten von den Lehrkräften selbst kommen. Da das für Unerfahrene am Anfang etwas ungewohnt ist, holten wir uns für die Terminvorbereitung und die Moderation des Design-Thinking-Prozesses im ersten Durchlauf kompetente Unterstützung vom Berliner Education Innovation LAB. Zudem schlüpften zwei unserer Teammitglieder in die Rolle von Teilnehmerinnen. Nebeneffekt: Wir konnten für die Kleingruppenarbeitsphasen an beiden Standorten drei gleich große Teams bilden.
Wir wussten: Drei Präsenztermine für die Ideen- und Prototypenentwicklung sind nicht viel. Deshalb setzte unser Stiftungsteam in der "Problemraum"-Phase (siehe oben: Abbildung "Design Thinking Prozess") auf die Vorerfahrung der Lehrkräfte – und auf Hausaufgaben. Zur Vorbereitung auf den ersten Workshop ("Ideation"), ließen wir die Lehrkräfte unter anderem Interviews mit ihren Schülerinnen und Schülern durchführen. Damit die Produktideen später auch aus Anwendersicht überzeugen. Im Mittelpunkt der Schülerinterviews standen vor allem Fragen nach den Nutzungserfahrungen mit digitalen Medien im Privatleben und im Schulunterricht und was die Kinder besonders begeistert bzw. was ihnen nicht gefällt.
'Unsere' Lehrkräfte werteten ihre Ergebnisse in ihren Teams aus und verdichteten die Erkenntnisse exemplarisch zu einer "Persona", einem fiktiven Kind, das die 3. Klasse besucht und bestimmte Vorlieben, Abneigungen und Bedürfnisse hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung und des Einsatzes digitaler Medien hat. Auf dieses Kind zugeschnittene "User Stories" halfen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei der darauffolgenden Entwicklung von Ideenskizzen und schließlich den pädagogischen Produktlösungen im zweiten Workshop ("Prototyping").
Es ist erstaunlich, wie viel man in so kurzer Zeit schaffen kann. Ich bin richtig stolz, wie ausgereift unsere Produktidee bereits ist.
Teilnehmender Grundschullehrer aus Berlin
Neben Einheiten des Erfahrungsaustausches – z. B. über bereits bestehende tolle digitale Anwendungen am Markt –, wurde in beiden Städten vor allem viel diskutiert, ausprobiert und gebastelt – zur Überraschung einiger Teilnehmenden häufig analog. Typisch "Design Thinking": mit farbigen Notizzetteln an Pin- und Stellwänden, mit Karton, Watte, Stiften, Styropor, Pfeifenreinigern und vielem mehr, was der Moderationskoffer oder die Bastel- und Spielkiste so hergeben.
Und immer lief die Uhr mit. Das "Time Boxing" wurde in den Workshops unser stetiger Begleiter und motivierte die Lehrkräfte nach einer kurzen Eingewöhnungszeit tatsächlich dazu, gemeinsam konzentrierter zum Punkt zu kommen. Vielleicht auch, weil die Gruppen wussten, dass im Design-Thinking-Innovationsprozess nichts "in Stein gemeißelt ist". Lösungen werden nicht linear geplant, sondern iterativ entwickelt, also in Schleifen. Okay, offen gesagt, fehlte hierfür in den insgesamt zwei Workshop-Tagen zwar manchmal leider die Zeit ;-). Aber in der Feedbackrunde am Ende jedes Workshoptages zeigte sich bei den Teilnehmern dann doch meist glückliche Erschöpfung. Viele betonten immer wieder, wie spannend es sei, so ergebnisoffen zu arbeiten und wie überrascht und stolz sie waren, in so kurzer Zeit so kreative Zwischenergebnisse zu erzielen. Positive Selbstwirksamkeitserfahrung: Check.
Besonders schön für uns und die teilnehmenden Lehrkräfte war es zudem, dass wir an beiden Standorten am zweiten Workshop-Tag, dem "Prototyping"-Termin, für etwa eine Stunde Grundschülerinnen und -schüler zu Gast hatten. Alle Teams konnten so ihre bis dahin verdichteten Produktideen und gebastelten Prototypen der potentiellen Zielgruppe präsentieren und von ihnen wertvolles letztes Feedback einholen. Dies half den Lehrkräften enorm beim anschließenden Entwicklungsendspurt.
Vielversprechende Produktideen – und eine Entscheidung
Der Countdown läuft! Am 14. Februar ist es dann endlich soweit: Alle Beteiligten kommen in Berlin zu einem gemeinsamen Abschlussevent der Workshopphase zusammen und stellen sich gegenseitig ihre insgesamt sechs entwickelten Produktideen samt ihrer gebastelten Prototypen vor. Gemeinsam werden sich die Grundschullehrkräfte mit uns auf ein Produkt einigen, das dann mit Unterstützung einer Digitalagentur ab April 2020 professionell umgesetzt und bis Jahresende mit den Lehrkräften, die weiterhin mitmachen möchten, in ihren Grundschulklassen getestet und fertiggestellt. Im Januar 2021 wollen wir als Stiftung "Haus der kleinen Forscher" die gemeinsam entwickelte neue Unterrichtsanwendung dann der Lehrkräfte-Community im Netz zur Verfügung stellen. Im Sinne des "Open Innovation"-Ansatzes natürlich kostenfrei.
Wir stellen Euch in einem weiteren Blog-Beitrag Anfang März alle Ideenskizzen der sechs Gruppen vor – und lüften in diesem Zusammenhang selbstverständlich das Geheimnis, welche digital gestützten Unterrichtsmaterialien aus der "Digitalwerkstatt Energie" dieses Jahr in Produktion gehen.
Um die Vorfreude zu erhalten, sei Folgendes vorab schon verraten:
Bei den sechs Produktideen fällt ins Auge, dass das Thema Nachhaltigkeit für die teilnehmenden Lehrkräfte eine große Rolle spielt. Viele Arbeitsgruppen wollten mit ihrem Produkt den Blick der Kinder für Energieverbrauch und Einsparungspotentiale schärfen und ein Bewusstsein dafür schaffen, welche Auswirkungen persönliches Handeln auf größere Zusammenhänge hat. Und didaktisch lassen sich alle Produkte von der Frage leiten, wie Schülerinnen und Schüler Lernprozesse selbst in die Hand nehmen können und die digitale Anwendung ihnen dabei helfen kann, selbstbestimmt und selbstwirksam zu lernen. Häufig sollte das Produkt auch analoges und digitales Lernen gut miteinander verknüpfen, das heißt: Es wurden auch Unterrichtsszenarien besprochen, in denen die Anwendung eingesetzt und mit analogen Elementen verknüpft werden kann.
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Nutzen Sie gerne die Kommentarfunktion unter diesem Blogbeitrag oder schreiben Sie uns eine E-Mail an energie@haus-der-kleinen-forscher.de.
Mehr zum Projektauftrag finden Sie auf unserer Projektwebseite.