"Kleine Forscher" als Unterrichtsfach
Einer Grundschule im hessischen Fulda war es nicht genug, forschendes Lernen als AG anzubieten. Sie haben die Inhalte der Stiftung "Haus der kleinen Forscher" fest in den Stundenplan integriert. Langsam trägt das Gelernte Früchte – bei den Kindern und Lehrkräften gleichermaßen.
"Benjamin, komm mal kurz her!" Vera Ramey unterbricht für einen Moment das Interview und fängt ihren Schüler ab. "Was war dein Lieblingsthema bei den 'Kleinen Forschern'?" Benjamin muss nicht lange überlegen. "Die Wasserfilteranlage aus alten Sachen", antwortet er sofort. Ramey freut sich und lacht.
Es ist kein Wunder, dass der Viertklässler so schnell eine Antwort parat hat. „Kleine Forscher“ ist an seiner Schule, der privaten Grundschule des Bildungsunternehmens Dr. Jordan in Fulda, ein Unterrichtsfach. An drei Nachmittagen pro Woche haben die Kinder jahrgangsübergreifenden Epochalunterricht. Alle Mädchen und Jungen aus der Vorschule und den ersten beiden Klassenstufen werden am Beginn des Schuljahrs in farblich markierte Gruppen aufgeteilt und rotieren wöchentlich durch die Fächer Musik, Kunst, Theater – und eben „Kleine Forscher“.
Wie man sich als Lehrerin für den Sachunterricht fitmacht
Bedanken können sie sich dafür bei Vera Ramey. Die gelernte Kindergärtnerin lebte zehn Jahre in den USA und absolvierte dort mit Anfang 30 eine Ausbildung zur Grundschullehrerin. "Als ich nach Deutschland zurückkam und meine Lehrbefähigung für den Sachunterricht erwerben musste, habe ich mich gefragt: Wie kann ich mich fit machen?" In den Fortbildungen der Bildungsinitiative sei sie zwar als Lehrkraft eine Exotin gewesen. "Aber ich fand es toll", sagt sie lachend.
2015 konnte Ramey bewirken, dass die MINT-Bildung unter dem Namen "Kleine Forscher" in die Epochalrotation aufgenommen wurde. 2017 wurde die Schule erstmals als "Haus der kleinen Forscher" zertifiziert. "Wir haben Erfahrung mit nicht traditionellen Schulfächern", erklärt Schulleiterin Sandra Hartung. So habe man u. a. vor einigen Jahren auch das Fach "Glück" eingeführt.
Der Vorteil altersgemischter Gruppen
Ramey liebt ihre Forscherstunden und die Tatsache, dass sie damit Themen über ein ganzes Schuljahr verfolgen kann. Neben den Ideen, die sie aus ihren Fortbildungen mitgebracht hat, orientiert sie sich an dem, was sie in der "Forscht mit!" oder den Materialien zum "Tag der kleinen Forscher" findet. Dass die Gruppen altersmäßig gemischt sind, gefällt ihr besonders gut. "Es ist immer wieder spannend, zu beobachten, wie die älteren Kinder die jüngeren an die Hand nehmen", erzählt sie.
Die Beschäftigung mit entdeckendem und forschendem Lernen hat Spuren hinterlassen. "Meine ganze Art, an Themen heranzugehen, hat sich verändert", sagt Ramey. "Auch im Sachunterricht lasse ich den Kindern jetzt viel mehr Freiraum und beobachte: Wo geht das Thema hin?" Das gelte auch für die dritten und vierten Klassen sowie für die anderen in ihrem Team, die sich regelmäßig an Rameys Materialien bedienen. Themen wie "Strom und Energie" böten die Möglichkeit, an Lehrplaninhalte anzuknüpfen und somit das Forschen auch in den regulären Unterricht zu holen.
Forschen in der Grundschule
Mit dem Kindermagazin "echt jetzt?" können Lehrkräfte forschendes Lernen und Lesen im Unterricht in der dritten und vierten Klasse fördern. Geeignet für die Arbeit im Deutsch- und Sachunterricht. Eine gemeinsame Initiative der Stiftung "Haus der kleinen Forscher" und der Stiftung Lesen.
mehrNicht nur für Privatschulen
Ein eigener MINT-Raum, den sich die Grundschule mit der ebenfalls zum Bildungsunternehmen gehörenden Realschule teilen will, soll bald noch mehr Platz schaffen. "Dort können wir mehr Materialien zur Verfügung stellen und hätten beispielsweise auch ein eigenes Waschbecken", erklärt die Schulleiterin. Aufgebautes könne dann auch mal stehen gelassen werden, freut sich Ramey.
Forschen als Unterrichtsfach – ist das nur eine Option für Privatschulen? Hartung motiviert: "Ich glaube, wenn ich etwas wirklich möchte, kann ich das auch umsetzen." Der Schlüssel sei es, die Neugier, die man bei den Kindern beobachten könne, auch bei sich selbst zu wecken.
Dieser Text erschien zuerst in "Forscht mit!" 3/2021.