So schafft es deine Idee in den Kita-Alltag
Pädagogische Fachkräfte zählen laut einer WiFF-Studie[1] zu den fortbildungsfreudigsten Berufsgruppen überhaupt. Neben den verpflichtenden Schulungen liegt der Fokus besonders auf Themen der sozial-emotionalen Entwicklung und der Bildungs- und Lernprozesse. Doch was passiert mit diesem Wissensschatz der Fach- und Leitungskräfte nach der Rückkehr in den Kita-Alltag? Wie das genau geht, haben wir in unserem Live-Webinar „MINTplus Praxistransfer“ thematisiert, das wir im Herbst 2024 gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Robert Bosch Stiftung veranstaltet haben. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Webinar haben wir hier für euch zusammengefasst.
Die größte Herausforderung liegt nicht im Erwerb neuen Wissens, sondern in dessen praktischer Anwendung. Der dynamische Kita-Alltag mit seinen vielfältigen Anforderungen lässt oft wenig Raum für die Implementation neuer Ideen. Doch genau hier liegt der Schlüssel: Wissen muss aktiv in die Praxis überführt werden. Wissenstransfer findet nicht zufällig statt. Wissenstransfer muss als planvoll gestalteter Prozess in den Kita-Alltag integriert werden. Und hier geht es um zwei Aspekte: Wissensaustausch (Transfer von Wissen zwischen den Mitgliedern des Kita-Teams) und Möglichkeiten der Wissensanwendung (die praktische Anwendung des neu Gelernten im Kita-Alltag).
Die Bedeutung eines strukturierten Wissens- und Praxistransfer in Kita-Teams unterstreichen auch wissenschaftliche Studien. Hier findet Ihr einen Impulsvortrag von Valerie Bergmann, in dem sie einen Überblick über zentrale Forschungsergebnisse zusammenfasst:
Von der Fortbildung in den Kita-Alltag: Wissenschaftliche Erkenntnisse
Gelingensbedingungen für einen erfolgreichen Kita-Praxistransfer
Damit ihr direkt in die Umsetzung kommen könnt, haben wir euch hier die wichtigsten Gelingensbedingung aus Wissenschaft und Praxis zusammengefasst.
(1) Strukturierte Prozessgestaltung
Die erste Säule bildet das Fundament: Ohne klare Struktur keine nachhaltige Veränderung. Bevor ihr also etwas Neues umsetzt, empfehlen wir, euch im Team Gedanken über folgende Punkte zu machen:
- Schafft regelmäßige Reflexionsrunden für den Wissensaustausch: Ein erfolgreicher Wissenstransfer basiert auf systematischer Planung. Etabliert feste Zeitfenster für den Teamaustausch. Dies können regelmäßige Zeitfenster in Teamsitzungen sein oder spezielle Entwicklungstage. Wichtig ist die Regelmäßigkeit und verbindliche Struktur.
- Nutzt standardisierte Dokumentationsvorlagen: Wir empfehlen die konsequente Nutzung eines Fortbildungs-Steckbriefs für das ganze Kita-Team. Diese Dokumentation dient nicht nur der persönlichen Reflexion nach einer Fortbildung, sondern macht das neue Wissen für das gesamte Team zugänglich. Egal, ob ihr digitale Tools oder analoge Vorlagen nutzt – Hauptsache, die Information ist für alle verfügbar.
- Plant die Umsetzung strategisch: Ein nachhaltiger Wandel braucht einen klaren Fahrplan. Einigt euch gemeinsam im Team auf verbindliche Zeitfenster für die Umsetzung und auf Evaluationsschleifen zur Qualitätssicherung. Fragt euch: Welche Meilensteine und Verantwortlichkeiten brauchen wir, um Wissen und Ideen in die Anwendung zu bringen? Also welche Ressourcen benötigen wir? Wer übernimmt welche Aufgaben? Und wie messen wir unseren Erfolg?
(2) Leitungsunterstützung sichern
Die Kita-Leitung spielt eine Schlüsselrolle beim Gelingen von Veränderungsprozessen. Binde deine Leitung von Anfang an ein:
- Präsentiere dein Vorhaben überzeugend: Suche den Kontakt zu deiner Leitungskraft und berichte ihr von deinen Erkenntnissen und deinen Veränderungsvorschlägen. Zeige dabei den Mehrwert für die Einrichtung auf.
- Besprecht benötigte Ressourcen: Sprecht über die Ressourcen (Personal, Räume, Geld etc.), die es eurer Meinung nach für die Umsetzung bräuchte.
- Etabliere regelmäßiges Feedback: Vereinbart gemeinsam ein „follow-up“ Gespräch bzw. die nächsten Schritte, insbesondere wann und wie ihr Dritte, insbesondere die anderen Teammitglieder, am besten mit ins Boot holt.
(3) Teambasierte Implementierung
Das bringt uns gleich zum nächsten Punkt: Teamarbeit! Denn Veränderung gelingt nur gemeinsam. Binde deine Kolleg:innen früh ein, wenn du eine neue Umsetzungsvorschlag hast. So könnt ihr eure Team-Stärken von Anfang an nutzen. Wenn du die Unterstützung deiner Leitung hast, geht’s los:
- Bildet Arbeitsgruppen bzw. Themenpatenschaft: Schon Tandems tragen nachweislich zur erfolgreichen Umsetzung neuer Ideen bei. Indem ihr schaut, wie das neue Vorhaben auf die Ziele/Vision eurer Einrichtung einzahlt, indem du aufzeigst, wie die Veränderung euren Arbeitsalltag erleichtert bzw. die päd. Arbeit mit den Kindern bereichert.
- Schafft Raum für Bedenken und Ideen: Gerade wenn ihr euch darauf verständigt, dass eine kleine Gruppe das neue Vorhaben federführend vorantreibt, setzt konsequent auf kollegialen Austausch. Wie unter Punkt 1 bereits erwähnt, bietet sich hierfür schon ein kleines Zeitfenster in einem Teamtermin an. Wichtig ist, dass ihr als pädagogisches Team im Gespräch bleibt, um auf Bedenken und neue Lösungsvorschläge eingehen zu können.
- Feiert gemeinsame Erfolge: Motivation ist alles. Deshalb empfehlen wir von Anfang an eine Kultur der Wertschätzung füreinander und Euer Engagement zu etablieren. Feiert auch kleine Meilensteine. So meistert ihr auch etwaige Durststrecken bei der Planung und Umsetzung.
(4) Das Themenpatenschafts-Modell
Lass uns noch mal auf das Thema Arbeitsgruppe bzw. Tandem eingehen. Denn hier liegt ein besonderer Erfolgsfaktor für das Wissensmanagement und die Umsetzung neuer Ideen in Kita-Teams. Besonders bewährt hat sich in der Kita-Praxis das Konzept der Themenpatenschaft. Deshalb empfehlen wir:
- Benennt Themenpatinnen bzw. Themenpaten: Einige Themen erfordern eine vertiefte, längerfristige Auseinandersetzung – gerade, wenn die gewünschte Veränderung ein Dauerthema eurer Einrichtung ist oder werden soll. Vielleicht hat jemand dauerhaft Lust, interne Expertin bzw. Experte für ein bestimmtes Themengebiet wie z. B. MINT-Bildung zu sein. Themenpatenschaften sichern die Expertise und die nachhaltige Verankerung in der Kita, auch über ein zeitlich befristetes Projekt hinaus.
- Organisiert Peer-Learning-Sessions: Damit Wissen regelmäßig geteilt wird, setzt euch in verschiedenen Konstellationen (oder wie oben erwähnt) regelmäßig als Team zusammen und besprecht das Thema.
- Ermöglicht Hospitationen und Mentoring-Strukturen: Wenn ihr euch für ein Themenpatenschafts-Modell entscheidet, ermöglicht den zuständigen Kolleg:innen regelmäßig Fortbildungen und externe Hospitationen und Mentoring-Formate. So bleibt der Wissensstand zu dem Themengebiet stets aktuell.
(5) Partizipation der Kinder
Eine oft übersehene, aber zentrale Gelingensbedingung für Wissens- und Praxis-Transfer in der Kita ist die Einbindung der Kinder. Lasst die Kleinen mitsprechen – denn um sie geht es letztendlich!
- Erfragt die Perspektive der Kinder: Was sagen die Kinder zu den Ideen oder Veränderungen, die ihr umsetzen möchtet? Werfen Sie ggf. neue Fragen auf?
- Lasst sie bei der Gestaltung mitwirken: Wenn es möglich ist, empfehlen wir, die Kinder auch aktiv mit bei der Umsetzung mitwirken zu lassen. Vielleicht lasst ihr sie mit abstimmen bei einer Teilentscheidung? Vielleicht macht ihr zu eine Fotodokumentation? Vielleicht lässt sich das Projekt nutzen, um kreativen Ausdruck mit den Kindern zu üben. Möglichkeiten kennt ihr sicherlich viele. Weitere Tipps findet ihr z. B. hier in unserem kostenfreien Onlinekurs „Partizipation von Kindern“.
- Beobachtet die Reaktionen der Kinder und passt Konzepte ggf. an: Auch wenn ihr die Kinder erst mit der Neuerung konfrontiert – seid offen, Anpassungen zu machen, wenn die Kinder nicht in dem von euch erhofften Sinne reagieren. Manchmal geben die Kinderreaktionen noch einmal wertvolle Hinweise für den „Feinschliff“ deiner Idee.
(6) Externe Unterstützungssysteme
Zu guter Letzt möchten wir euch ermuntern, auch die verfügbaren Ressourcen außerhalb der Einrichtung zu nutzen – sowohl für das Wissensmanagement als auch für die Umsetzung neuer Ideen. Unterstützung kannst du bzw. könnt ihr an vielen Stellen anfragen:
- Fachberatung eures Kita-Trägers
- Familien der Kinder
- Netzwerke mit anderen Kitas
- Expertise von Fortbildner:innen
- Weitere Akteure im Sozialraum der Kita
Praktische Umsetzungshilfen und Beispiele für Kita-Teams
Dein Kita-Team steigt gerade erst neu ins Thema Wissensmanagement und Praxistransfer in der Kita ein? Dann empfehlen wir dir bzw. euch für den Start unseren neuen, kostenfreien Onlinekurs „Ideen werden Wirklichkeit: Neues in der Kita umsetzen“ auf unserer Lernplattform Campus. Darin begleitest du das Team der fiktiven Kita „Pusteblume“ Schritt für Schritt bei der Umgestaltung ihres Außengeländes und lernst auf interaktive Weise zahlreiche praktische Methoden zur Zusammenarbeit im Kita-Team, zur Wissensdokumentation und zum Projektmanagement kennen.
Um nachhaltigen Wissenstransfer in eurem Kita-Team zu erleichtern, bietet unsere Stiftung "Stiftung Kinder forschen" das Impulsset „Von der Idee in die Praxis: So gelingt der Transfer ins Kita-Team“ an. Es enthält praxisnahe Anleitungen und Downloads, die dir zeigen, wie du ein neues Thema in deine Kindertageseinrichtung einführen kannst, wie du deine Kolleg:innen für dein Thema begeisterst und wie ihr gemeinsam sicherstellt, dass sich die Neuerung auch langfristig in eurem Kita-Alltag verankert, auch in Zeiten von Personalausfällen oder ähnlich.
Fazit
Der Weg von der Inspiration zur gelebten Praxis ist herausfordernd, aber machbar. Mit den richtigen Strukturen, engagiertem Teamwork und systematischer Herangehensweise kannst du gemeinsam mit deinen Kolleg:innen nachhaltige Veränderungen in eurer Kita bewirken – und so die Qualität eurer pädagogischen Arbeit und euer Wohlbefinden kontinuierlich optimieren. Wir wünschen dir und deinem Team dabei gutes Gelingen. Wenn du dich weiterhin zum Thema Kita-Entwicklung informieren möchtest, schau gerne regelmäßig auf unserer Campus-Themenseite vorbei. Dann verpasst du keine unserer Angebote.
[1] Gessler, A. und Gruber, V. (2022): Wissenserwerb und Wissenstransfer von Leitungs- und Fachkräften in Kindertageseinrichtungen. Empirische Analysen einer bundesweiten Befragung zu Strukturen und Prozessen sowie dem Einfluss der Corona-Pandemie. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Studien, Band 38. München