Der beste Kuchen der Welt
Eier kauft sie immer ein paar mehr. Anna Lubenow, Erzieherin der Kita Lillebror in Berlin, hat es sich zur Gewohnheit gemacht, jede Woche mit einer Handvoll Kindern Kuchen zu backen. Ein Ei landet dabei meist auf dem Boden. Mindestens. Und ohne dass es direkt Thema ist, beschäftigen sich die Mädchen und Jungen ganz viel mit Mathe.
"Fällt ein Ei zu Boden, bekommen manche Kinder einen Riesenschreck und schauen mich mit großen Augen an. Aber das ist definitiv kein Drama, ganz im Gegenteil", sagt Anna Lubenow. "Wenn ich mit Dreijährigen backe, ist meine Erwartungshaltung nicht, dass ich am Ende in Ruhe dasitzen kann und den besten Kuchen der Welt esse." Wobei "bester Kuchen der Welt" hier ganz neu definiert wird: "Wenn dann nachmittags alle ein Stück Kuchen bekommen, macht das die Kinder unglaublich stolz. Es macht sie glücklich, etwas für die ganze Kita-Gemeinschaft getan zu haben und Teil davon zu sein."
Die sozialen Aspekte sind ein wichtiger Teil des gemeinsamen Backens. Gleichzeitig lernen die Mädchen und Jungen noch viel mehr: In der Küche geht es ganz oft um Mathematik. Die Kinder messen, wiegen und zählen. Sie entdecken Formen und bekommen ein Gespür für Mengen. Das passiert auf dem Weg zum besten Kuchen der Welt nebenbei. "Wir überlegen zunächst, welchen Kuchen wir backen wollen. Danach suche ich ein passendes Rezept im Internet raus", erzählt Lubenow. Gemeinsam schreibt sie dann mit den Kindern den Einkaufszettel: Wie viel Zucker wird gebraucht, wie viel Mehl und Butter? Äpfel oder Schokolade? Ach ja, und Eier. Dann gehen alle los in den Supermarkt. Die Mädchen und Jungen vergleichen dort die Grammangaben und die Preise und rechnen hinterher aus, was das alles zusammen gekostet hat.
Wie viel Mehl brauchen wir? Wie viele Eier?
In der Küche sind Kinder und Erzieherin mittlerweile ein eingespieltes Team – alle helfen mit, jede:r bekommt eine Aufgabe und kann dann zählen oder messen. "Für die Dreijährigen sind 375 Gramm meist noch zu abstrakt, als Hilfe kennzeichne ich den richtigen Füllstand mit einem Klebestreifen", erklärt die Erzieherin. Die Älteren sind schon routiniert, vergleichen die Zahlen und haben ein Gespür dafür, wie viel Mehl benötigt wird. Wenn alles abgezählt und abgemessen ist, wird gerührt. Nach dem Rühren kommt der Kuchen in die Form und dann in den Ofen. Wie viel Grad müssen sie einstellen? Wie lange muss der Kuchen backen? Wie verpassen sie das Ende nicht? "Wir schauen uns gemeinsam die Uhr an und überlegen, welcher Zeiger dann wo sein muss. Und wir haben eine Eieruhr, die wir dann einstellen", sagt Anna Lubenow.
Und es geht weiter mit dem Zählen: Wie viele Mädchen und Jungen essen mit? Wie viele Teller brauchen sie, wie viele Gabeln und Gläser? Oje, es sind zehn Kinder, aber es passen nur fünf an einen Tisch – dann müssen noch mal fünf an den anderen. Als Hilfestellung haben die Erzieher:innen Glassteine parat. Für jedes Kind liegt dann ein Stein auf dem Tisch, so viele Teller und Bestecke werden benötigt. Für die Mädchen und Jungen werden die Zahlen dadurch sichtbar und Mengen und Größen greifbar. Der Duft des gemeinsamen Backprojekts hängt noch lange in der Luft, wenn alle zusammen schließlich den besten Kuchen der Welt essen.
Aufgeräumt haben die Kuchen-Kids natürlich auch, denn das gehöre ja auch dazu, so Anna Lubenow. Sie weiß, dass vielleicht nicht alles perfekt aussieht und auch nicht perfekt läuft. Aber dafür erlebt sie, dass hier eine Sache wirklich perfekt funktioniert: die frühkindliche Pädagogik und die Gewissheit, dass die Kinder in ihrer Kita ein gutes Verhältnis zu Mathe haben.