BNE – ein Kompass für digitale Bildung in der Kita?

BNE ist mehr als Umweltbewusstsein. Es bedeutet zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und Zukunft mitzugestalten. Zum Beispiel mit Actionkameras
und einem eigenen Kita-Podcast.

Bereits junge Kinder beobachten den Umgang der Erwachsenen mit Handy und Tablet. Manche können Smartphone-Kameras bedienen, bevor sie Rad fahren. Aber mit der Bedienung geht nicht unbedingt eine sinnvolle Nutzung einher. Digitale Bildung zielt auf die kreative, reflexive und kritische Auseinandersetzung mit digitalen Medien ab. Kinder sollen sie nutzen, um sich die Welt zu erschließen. Dafür brauchen sie Zeit, um digitale Medien ausgiebig zu erkunden und Fragen zu stellen.
In der Kita Uphof in Hamm sind digitale Technologien ein selbstverständlicher Teil des pädagogischen Alltags. Hier entscheiden die Kinder selbst, ob sie im digitalen Atelier Filme mit Stop Motion Apps selbst erstellen oder die Natur erkunden – mit oder ohne digitale Medien. Die Kita Uphof arbeitet nach einem reggio-inspirierten Ansatz. Hier verstehen sich Fachkräfte als Lernbegleiter/-innen und Selbstlernende. „Wir lernen gemeinsam mit den Kindern“, betont Kitaleiterin Melanie Naber.
Fünf wichtige Aspekte für das Lernen mit digitalen Medien in der Kita

❶ Digital und analog – verschiedene Zugänge fördern das Lernen
❷ Pädagogisches Konzept und Lernbegleitung sind wichtig
❸ Alltagsintegriert und am Kind orientiert – mit digitalen Medien
❹ Je jünger die Mädchen und Jungen, desto wichtiger die Begleitung
❺ Nachhaltigkeit beachten und mit den Kindern thematisieren
Mehr dazu in: Nutzung digitaler Medien für die pädagogische Arbeit in der Kindertagesbetreuung. Expertise des IFP im Auftrag des BMFSFJ, München 2020
BNE als Kompass für digitale Bildung
BNE, kurz für Bildung für nachhaltige Entwicklung, ist kein Zusatz im vollen Kita-Alltag, sondern ein Kompass, der sich durch den Praxisalltag zieht. Denn: BNE bedeutet Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen. Schaut man aus der Perspektive von BNE auf digitale Bildung, geht es über Kriterien eines nachhaltigen Umgangs mit digitalen Geräten wie Sparsamkeit oder Langlebigkeit von Technik hinaus. Es geht auch darum, Kinder zu beteiligen, kritisches Denken zu fördern und Verantwortungsbewusstsein zu stärken. Kinder und Erwachsene lernen mit BNE, eigene Werte zu reflektieren und das Selbstvertrauen zu entwickeln, Veränderungen bewirken zu können.
Verstehen und gehört werden

Digitale Medien lassen sich zur Recherche und Beantwortung komplexerer Fragen der Kinder nutzen. Pädagoginnen und Pädagogen können partizipative Prozesse gestalten, indem sie mit den Kindern an deren eigenen Anliegen arbeiten. Digitale Medien können dabei unterstützen, den Kindern zu vermitteln, dass ihre Meinungen gehört werden. Die Kita Uphof produziert beispielsweise ihren eigenen Podcast. „Mit unserem Kita-Podcast geben wir Kindern eine Stimme. Hier besprechen wir, was die Kinder bewegt“, erzählt Naber.
Wenn Kinder früh lernen, dass Erwachsene ihre Meinungen und Bedürfnissen ernst nehmen, sind sie in ihrem weiteren Leben motiviert, den Status Quo zu hinterfragen und ihre Meinung zu äußern. Andere Meinungen anzuhören und das Gefühl zu haben, selbst gehört zu werden, legen die Grundsteine dafür, dass Kinder später für ihre Position eintreten und Dinge nicht einfach hinnehmen. Nur, wer das Gefühl hat, die Zusammenhänge der Welt um sich herum zu begreifen, findet Ansatzpunkte zum Handeln. Darum geht es bei BNE: Mit Veränderungen nicht nur Schritt zu halten, sondern die Welt so zu gestalten, dass kommende Generationen eine lebenswerte Umwelt vorfinden. „Unsere Welt wird sich verändern. Die Kita-Kinder von heute sind 2040 in Ausbildung. Sie werden weitere Entwicklungen der KI und neue Technologien erleben. Als Bildungseinrichtung ist es unser Auftrag, Kinder darauf vorzubereiten. Damit sie später kreativ denken und digitale Medien sinnvoll einsetzen können“, sagt Naber.
Unsicherheiten aushalten

Bei den pädagogischen Fachkräften braucht es Mut und Offenheit, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die sie noch nicht richtig kennen. Im Kontext von BNE und digitaler Bildung müssen die Erwachsenen Unsicherheiten im Umgang mit digitalen Medien aushalten, scheitern lernen und die Verantwortung für Lernprozesse mit den Kindern teilen. Immer wieder hört Melanie Naber die Aussage: „Kinder konsumieren schon genug Medien, das müssen sie nicht auch noch in der Kita tun“. Aber gerade deshalb müsse es doch zum Thema gemacht werden, ist die Kita-Leiterin überzeugt. Wichtig sei, die Eltern und Familien in die Prozesse miteinzubeziehen. „Damit sie selbst erleben, was man alles mit Medien machen kann. Manchmal muss man den Eltern zeigen, dass Medien nicht nurm passiv konsumiert werden“, erklärt Naber.
Die Kita Uphof veranstaltet regelmäßig Mediennachmittage für die Familien, mit Titeln wie „Opi und Omi, ich zeig dir meine Welt der Medien“ oder „Mit Medien den Wald erkunden“. Hier zeigen die Kinder als Expertinnen und Experten ihren Familien, wie sie digitale Medien kreativ und zielgerichtet nutzen. Sei es durch Mitschnitte per Actionkameras von ihrer Waldwoche oder eigens programmierte Roboter. Solche Aktionen sind wertvoll, denn wie Familien digitale Medien nutzen, ist unterschiedlich und hängt unter anderem vom sozioökonomischen Status ab. Das zeigt zum Beispiel die Publikation „Woher und Wohin 2024. Soziale Herkunft und Bildungserfolg“ der Wübben Stiftung Bildung. Dabei gehört Digitalisierung neben der nachhaltigen Entwicklung zu den Schlüsselaufgaben unserer Zeit.
Selbst neugierig bleiben
Möchte ein Team sich konzeptionell digitaler Bildung nähern, hilft es, die Ausgangsbedingungen der Kita zu reflektieren und zu überlegen, wie sie nachhaltiges Handeln und BNE damit verknüpfen könnten. Sich mit Chancen und Herausforderungen zu beschäftigen, gibt Sicherheit, wenn das Thema noch neu ist.
Sinnvoll ist es, wenn das Kita-Team Raum für Fortbildungen und Teamzeiten zu dem Thema bekommt, um eine eigene Position und Selbstverständnis zu entwickeln. Die Haltung, die Melanie Naber formuliert, ist eine gute Grundlage: „Wenn wir selbst etwas Kind und neugierig bleiben, dann können wir die Möglichkeiten, die uns digitale Medien bieten, erkennen.“
Dieser Beitrag ist in "Meine Kita", didacta Magazin für frühe Bildung, Ausgabe 02/2025 erschienen. Der komplette Artikel hier im E-Paper.