Mehr Raum für Gefühle?

Geballte Faust beglebt mit zwei kleinen Augen
© Franco Antonio Giovanella/Unsplash

Angst, Frust, Wut oder Überforderung – Menschen reagieren oft mit negativen Gefühlen, wenn sie mit so gewaltigen Problemen wie der Umweltzerstörung, Klimakrise oder Krieg konfrontiert werden. Den Trainerinnen, Trainern und Teilnehmenden unserer Fortbildungen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) geht es nicht anders. Unsere BNE-Kollegin Christina Rehr hat sich gefragt, ob und wie wir auf diese Gefühle eingehen sollten und hat den Workshop einer Klimapsychologin besucht. Im Interview berichtet sie davon.

Christina Rehr im Gespräch mit Workshopteilnehmerinnen
© Thomas Tratnik/Stiftung Kinder forschen
Christina Rehr (2.v.l.) bei der Durchführung einer BNE-Fortbildung

Hallo Christina, was fühlst Du selbst, wenn Du bspw. an die Klimakrise denkst?

Da schwanke ich permanent zwischen Motivation und Überforderung. Auf der einen Seite gehe ich mit Optimismus an die Sache heran und hoffe, dass wir als BNE-Akteure etwas bewirken. Andererseits habe ich Angst, dass wir dieses Problem nicht bewältigen können. Mir persönlich hilft es, wenn ich mir immer wieder meiner inneren Stärke bewusst werde. Diese Haltung ermutigt mich – und ich gebe das auch weiter.

Ist es verständlich, dass manche Menschen resignieren?

Im Workshop mit der Klimapsychologin haben wir darüber gesprochen, warum es Menschen schwer fällt, ins Handeln zu kommen. Viele wollen meist nicht so gerne aus ihrer gewohnten Komfortzone heraus. Dieser Schritt ist aber nötig – auch für eine gesellschaftliche Transformation. Jeder kann ja erstmal klein anfangen und dann fällt es leichter, weitere Schritte zu gehen. Fakt ist: Wir können Ziele wie weniger CO2, weniger Plastik und Konsum, mehr Tierschutz oder einen bewussteren Umgang mit Ressourcen nur erreichen, wenn sie von den meisten Menschen mitgetragen und von der Politik unterstützt bzw. umgesetzt werden – und wenn im Alltag jeder selbst danach handelt. Wir merken zum Glück, dass es da eine Dynamik und immer mehr Akteure in der Gesellschaft gibt, die sich für Nachhaltigkeit engagieren.

Wir wollen gemeinsam erreichen, dass pädagogische Fachkräfte und Kinder kein Gefühl von Hilflosigkeit erleben.

Müssen wir unsere Trainerinnen, Trainer und die Fachkräfte mehr ermutigen?

Manchmal empfinden unsere engagierten BNE-Trainerinnen und -Trainer natürlich auch diesen Frust, wenn man politischen Nachhaltigkeitsproblemen scheinbar machtlos gegenüber steht. Wir geben solchen Gefühlen als Stiftung bisher wenig Raum, weil wir es nicht hilfreich finden, sich diesen hinzugeben. Wir wollen uns stattdessen gemeinsam auf die Bildungsarbeit konzentrieren und am Ende erreichen, dass pädagogische Fachkräfte und Kinder kein Gefühl von Hilflosigkeit erleben. Vielmehr sollen sie mit unserer Unterstützung in die Gestalter-Rolle kommen. Wir versuchen mit unseren Fortbildungen, eine Kurve der Motivation aufzubauen. Eine Erzieherin kann mit den Kindern erst einmal kleinere Veränderungen ausprobieren und die Erfahrung machen, dass sich nachhaltiges Handeln gut in den Kita-Alltag einbauen lässt. So werden sie ein gutes Gefühl damit verknüpfen – es geht auch um Freude, Stolz und Leichtigkeit.

Was rät denn die Klimapsychologin?

Es sei immens wichtig, dass wir die Gefühle unserer Fortbildungsteilnehmenden wahrnehmen. Hinter jedem Gefühl stehe ein Bedürfnis, bspw. nach Sicherheit. Nur wenn wir mehr darüber erfahren, könnten wir Menschen dazu bringen, sich auf eine andere Haltung oder ein anderes Verhalten einzulassen. Vielleicht finden wir dafür eine gute Methode. Wir möchten auf keinen Fall, dass schlechte Gefühle etwas blockieren. Tatsächlich ist das manchmal nicht so einfach für die Fortbildungsteilnehmenden. Wer das erste Mal in eine BNE-Fortbildung kommt, muss seinen persönlichen Lebensstil, sein Verhalten und Wertvorstellungen teilweise hinterfragen. Und dann die Motivation sowie Zuversicht entwickeln, den Weg der Veränderung in der Praxis zu gehen. Wir sehen und sind froh darüber, dass es den Erzieherinnen und Erziehern, die unsere BNE-Angebote wahrnehmen, nach und nach immer besser gelingt. Sie handeln gleichzeitig als Individuum, als Teil einer Gesellschaft sowie eines politischen Systems und als Bildungsakteur – das braucht Zeit und Kontinuität.

Und wie steht es um die Gefühle der Kinder?

Die müssen selbstverständlich ebenfalls ernst genommen werden. Ihre Ängste und Sorgen dürfen nicht klein gemacht werden. Mit pädagogischen Methoden wie dem gemeinsamen Philosophieren können Erwachsene zum Beispiel negative Gefühle und Gedanken auffangen. Aber vor allem hilft es den Kindern, wenn sie aktiv werden können.
 

Portrait von Susanne Hein
Autor/in: Susanne Hein

Hallo, ich bin Kommunikationsreferentin im "Haus der kleinen Forscher" und betreue schwerpunktmäßig den Bereich frühkindliche Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).

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