„Wir müssen die Erde erhalten!"

Kinder betrachten Pflanzen mit einer Lupe.
© Christoph Wehrer / Stiftung Kinder forschen
Kinder betrachten Pflanzen mit einer Lupe.

Prof. Dr. Dirk Messner ist Präsident des Umweltbundesamtes. Im Interview beschreibt er den Zustand unserer Umwelt und wie wichtig frühe Bildung zu Nachhaltigkeit ist. Er erklärt, wie wir junge Menschen für das Thema sensibilisieren können und welche Zukunftskompetenzen und Bildungskonzepte es braucht, damit Kinder den kommenden Herausforderungen begegnen können.

Ihre Behörde beobachtet und bewertet den Zustand der Umwelt. Wie steht es denn um diese?

Unsere Umwelt ist in einem kritischen Zustand, unser Planet ist krank. Der Klimawandel ist eine große Herausforderung und es wird immer schwieriger, das Pariser Ziel einzuhalten: die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Das sieht weltweit nicht gut aus. Die Biodiversität leidet ebenfalls stark. Wir sehen das am derzeitigen Artensterben sowohl in der Pflanzen- als auch in der Tierwelt. Wir haben leider bisher noch nicht gelernt, unsere Lebensweise so einzurichten, dass wir dabei unsere Ökosysteme nicht zerstören. Wie wir Wohlstand für zehn Milliarden Menschen in den Grenzen der Ökosysteme schaffen, ist eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts.

Warum ist es wichtig, früh nachhaltiges Verhalten zu fördern?

Die nächsten Generationen müssen die Welt verstehen, um zukünftig gute Entscheidungen treffen zu können. Wir sollten sie darauf vorbereiten, mit den Problemen der Zukunft umgehen zu können. Dafür ist es wichtig, dass wir Verantwortung für das Erdsystem übernehmen. Wir befinden uns erdgeschichtlich gesehen im Übergang zum Anthropozän, also einem Zeitalter, in dem wir erstmals in der Lage sind, als Menschen den Planeten so zu verändern, dass Ökosysteme instabil werden. Wir können Kipp-Punkte im Erdsystem auslösen, die unsere Lebensgrundlage irreversibel untergraben. Alles, was wir jetzt tun, wirkt sich fundamental auf sämtliche folgenden Generationen aus. Wenn wir da nicht früh in der Bildung anfangen, wo sonst?

Was wir jetzt tun oder eben nicht machen, hat jedoch Auswirkungen auf alle nachfolgenden Generationen.

Prof. Dr. Dirk Messner

Wie lassen sich junge Menschen für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sensibilisieren?

Das Ziel ist es, Kinder und junge Menschen für die Umweltprobleme zu sensibilisieren und dass sie lernen, dass wir in vielen Bereichen Lösungen haben, die jedoch auch umgesetzt werden müssen. Oft geht es dabei darum, Zukunfts- gegen Gegenwartsinteressen durchzusetzen. Mit BNE vermitteln wir dies jüngeren Kindern und machen die Probleme der Welt und Lösungsräume für sie erfahrbar. Wir müssen ihnen an ganz praktischen Beispielen in Kita und Schule nahebringen, wie bedeutend die Natur und der Umgang mit ihr für uns Menschen ist. Wir müssen die Erde erhalten! Ohne Natur gibt es keine menschliche Entwicklung, wir sind ein Teil von ihr.

Lässt sich das Kindern vermitteln?

Wir sehen leider in Studien zum Umweltbewusstsein, dass das Interesse an Umwelt- und Klimaschutz bei Jugendlichen sinkt. Es hat sich nach dem großen Schwung von Bewegungen wie „Fridays for Future“ eine gewisse Resignation eingestellt, weil in der Gesellschaft, Wirtschaft und von der Politik zu wenig im Umweltschutz gemacht wird. Wir als ältere Generationen müssen dringend Lösungen vorantreiben, um das Vertrauen der Jugend zurückzugewinnen und nicht als „Egoisten-Generation“ zu gelten.

Prof. Dr. Dirk Messner ist Präsident des Umweltbundesamtes
© Susanne Kambor / UBA
Prof. Dr. Dirk Messner ist Präsident des Umweltbundesamtes

Das heißt, wir haben auch ein Problem zwischen den Generationen?

Ja, denn wir sind die erste Generation, die den Klimawandel antreibt, allein damit, wie wir unsere Wirtschaft ausrichten. Wir können damit das Erdsystem fundamental verändern – das ist erdgeschichtlich neu. Bisher waren die Generationen nur für sich selbst sowie ihre Kinder und Enkelkinder verantwortlich. Was wir jetzt tun oder eben nicht machen, hat jedoch Auswirkungen auf alle nachfolgenden Generationen. Da tragen wir als Entscheider:innen-Generation eine enorme Verantwortung. Um Kinder und Jugendliche davon zu überzeugen, sich für die Zukunft einzusetzen, müssen wir als gute Vorbilder vorangehen.

Wie muss BNE idealerweise aussehen?

BNE war in meiner Schulzeit noch gar kein Thema. Heute ist das anders. Es ist wichtig, dass wir MINT-Themen systematisch mit wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen, Entwicklungen und Lösungen verknüpfen. Zudem erklärt BNE den Zusammenhang zwischen unserer Lebensweise und den Veränderungen der Natur. Dabei geht es um den Bau unserer Städte, die Art, wie wir uns ernähren und fortbewegen bis dahin, wie wir wirtschaften.
 

Unsere Kinder müssen mit dem Wissen aufwachsen, dass wir Verantwortung für unser Erdsystem übernehmen und dass dessen Stabilität enorm wichtig ist.

Prof. Dr. Dirk Messner

Wie können pädagogische Fach- und Lehrkräfte dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden?

Für sie ist es entscheidend, Wissen aus unterschiedlichen Fachbereichen zu verbinden, um die nächste Generation auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten. Wir müssen verstehen, wie es funktioniert, dass die Vielzahl der Menschen auf dieser Welt im Wohlstand leben und gleichzeitig der Planet stabil bleiben kann. Unsere Kinder müssen mit dem Wissen aufwachsen, dass wir Verantwortung für unser Erdsystem übernehmen und dass dessen Stabilität enorm wichtig ist. Das muss Teil einer zukunftsorientierten Ausbildung sein.

Was ist für Sie persönlich derzeit spannend zu erforschen?

Mich interessiert im Augenblick am meisten, wie man künstliche Intelligenz zusammenbringen kann mit Lösungen für einen stabilen Planeten. Und da beginnen wir gerade erst, viele neue Welten zu erschließen. Das ist das große Rätsel, was mich gerade besonders umtreibt.

"Forscht mit!" zum Thema „Klimawandel – begreifen und handeln“

Das Coverbild der neuen "Forscht Mit!" Ausgabe

Das Interview ist in der "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 3/2024 erschienen.
Der Klimawandel betrifft uns alle. Hitze und andere Extremwetterereignisse werden immer häufiger. Das spüren auch Kinder und sie haben Fragen, Ängste und Sorgen. Passend zu unserem BNE-Bildungsangebot gibt unser Magazin Anregungen, um Mädchen und Jungen altersgerecht im Umgang mit dem Klimawandel und dessen Folgen zu stärken. Wie sie das auch ohne Spezialwissen tun können, erfahren Erzieher:innen und Grundschullehrkräfte in unserer pädagogischen Fachzeitschrift „Forscht mit!“.  

 

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Portrait von Daniela Krebs
Autor/in: Daniela Krebs

Als Referentin für Presse, Public Affairs und Digitale Kommunikation setze ich mich dafür ein, dass #gutefrüheBildung für alle Kinder ermöglicht wird. Ich arbeite in der Stiftung daran, die Themen rund um gute frühe MINT-Bildung und die Arbeit der Stiftung bekannter zu machen.

Alle Artikel von Daniela Krebs