"Es geht darum, sich selbst herauszufordern."
Gewichtheben erfordert immense Kraft, aber es reicht nicht aus, nur viele Muskeln zu haben. Mentale Stärke spielt im Leistungssport ebenfalls eine entscheidende Rolle. Lisa Marie Schweizer vertrat Deutschland bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio und stieß dort beeindruckende 117 kg. Im Interview erzählt sie, was sie an diesem Sport fasziniert, wie Kinder ihre mentale Kraft stärken können und welche Rolle ihr Mathelehrer in ihrer Karriere als Sportlerin spielt.
Wie sind Sie zum Gewichtheben gekommen?
Als ich Jugendliche war, war meine Rücken- im Vergleich zu meiner Beinmuskulatur nur schwach ausgeprägt, was zu Rückenproblemen geführt hat. Mein damaliger Mathelehrer war Trainer für Gewichtheben. Eines Tages habe ich ihn gefragt, ob man dabei auch den Rücken stärkt. Er lachte nur und lud mich ein, es auszuprobieren. Bis heute begleitet er mich bei internationalen Wettkämpfen.
Was fasziniert Sie an Ihrem Sport?
Am meisten fasziniert mich, dass man immer wieder neue Erfolge feiern kann. Man fängt klein an und steigert sich. Es geht darum, Grenzen zu überwinden und sich selbst herauszufordern. Das macht einfach unheimlich Spaß und wird nie langweilig.
Wie fast alle Sportarten erfordert Gewichtheben nicht nur körperliche, sondern auch mentale Kraft. Was trainieren Sie lieber und warum?
Aus meiner Sicht lässt sich Muskelkraft einfacher trainieren als mentale Kraft. Beim Mentaltraining muss man sich wirklich mit sich selbst auseinandersetzen und immer wieder geistige Blockaden überwinden. Das ist nicht einfach und bedarf mindestens genauso viel Übung wie das eigentliche Krafttraining. Im Endeffekt ist beides unerlässlich, um stärker zu werden. Deshalb kann ich auch keinen klaren Favoriten benennen.
Welche Rolle spielen diese beiden Kräfte bei Ihrer Arbeit als Polizeikommissarin?
Körperlich fit zu sein kann als Polizistin nie schaden, dennoch würde ich sagen, dass mir vor allem meine mentale Stärke hilft – es ist entscheidend, in brenzligen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren.
Man muss den Muskeln die nötige Entspannung bieten und auch mental den Kopf immer wieder frei bekommen.
Lisa Marie Schweizer, Gewichtheberin
Wie bereiten Sie sich auf einen Wettkampf vor?
Im Team trainieren wir ungefähr drei Monate auf den Höhepunkt eines Wettkampfs hin. Darauf ist das Training ausgelegt. In dieser Zeit findet ein ständiger Wechsel zwischen Belastung und Entlastung statt. Die verschiedenen Intensitäten sind wichtig, denn man muss den Muskeln die nötige Entspannung bieten und auch mental den Kopf immer wieder frei bekommen, damit sich nicht zu viel Druck aufbaut. Direkt vor dem Wettkampf ist ausreichend Schlaf unerlässlich. Am Abend lege ich das Smartphone und alle Bildschirme beiseite, dehne mich noch mal und dimme alle Lichter, damit ich mental runterfahren kann. Das tut mir gut und hilft mir dabei, mich zu fokussieren.
Haben Sie Tipps, z. B. eine Technik oder Übung, mit der Kinder ihre mentale Kraft stärken können?
Mentale Kraft ist im Sport vor allem wichtig, um mit dem Druck umgehen zu können, der in einer Wettkampfsituation entsteht. Für Kinder kann man solche Situationen spielerisch außerhalb des eigentlichen Wettkampfs schaffen. Dadurch können sich Kinder an Situationen gewöhnen, in denen ein Leistungsabruf gefordert ist. Unabhängig davon, ob sie das angestrebte Ziel in dem Moment erreichen oder nicht, sollte man sie motivieren und mit positiver Verstärkung arbeiten. Wie das im Detail aussehen kann, ist für jedes Kind verschieden.
Man sollte Kindern ein breites Feld an Möglichkeiten aufzeigen und ihnen die Chance bieten, sich auszuprobieren.
Lisa Marie Schweizer, Gewichtheberin
Wie können Eltern und Pädagog:innen das Interesse von Kindern an Gewichtheben oder anderen Sportarten fördern und sie unterstützen, ihre Leidenschaften zu entdecken?
In erster Linie sollte man Kindern ein breites Feld an Möglichkeiten aufzeigen und ihnen die Chance bieten, sich auszuprobieren. Ganz unvoreingenommen und ohne Rollenklischees, wie es auch mein Mathelehrer damals gemacht hat. Dadurch befähigt man die Kinder, ihre Leidenschaften eigenständig zu entdecken. Wenn sie etwas gefunden haben, sollte man sie unterstützen, ohne Druck aufzubauen.
Welche Botschaft möchten Sie an Kinder weitergeben, die davon träumen, eines Tages große sportliche Ziele zu erreichen, wie etwa an den Olympischen Spielen teilzunehmen?
Ich selbst war nie an einer Sportschule und habe ganz normal bei der Polizei studiert, erst später wurde ich in die Sportfördergruppe aufgenommen. Ich habe die Sportart vor allem verfolgt, weil sie mir Spaß gemacht hat, und habe mir immer wieder kleine Ziele gesetzt, bis ich irgendwann beim großen Ziel angekommen bin – den Olympischen Spielen. Das würde ich gern an Kinder weitergeben: Man soll seinen Traum verfolgen und in kleinen Schritten die Erfolge feiern.
Aktuelle Ausgabe: "Ganz schön kräftig!" (04/2023)
Das Interview ist in der neuen "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 04/2023 zu finden.
Unser Körper ist ein echtes Kraftpaket und das muss er auch sein, denn wir brauchen unsere Muskeln zum Rennen, Klettern, Hüpfen oder Heben schwerer Sachen. Ohne Muskelkraft könnten wir nicht die kleinste Bewegung machen, noch nicht einmal Kauen oder mit den Augen blinzeln. „Guck mal, wie stark ich bin!“ – das sagen Kinder oft, wenn sie stolz darauf sind, eine schwere körperliche Anstrengung geschafft zu haben. Aber woher kommt unsere Körperkraft eigentlich? Und hat Stärke immer mit Muskeln zu tun?Die aktuelle Ausgabe der „Forscht mit!“ lädt dich dazu ein, gemeinsam mit den Mädchen und Jungen die eigene Kraft zu erkunden. Und wenn die eigenen Muskeln doch nicht ausreichen? Dann erforschen die Kinder verschiedene Techniken und Hilfsmittel, um ihr Ziel trotzdem zu erreichen.Im Heft erwarten dich viele spielerische Forscherideen zum Thema Kraft. Du findest du gute Beispiele aus der Praxis von Kita, Hort und Grundschule – von Kraft mit und ohne Muskeln.