Entdecken, Forschen, Philosophieren – der neue Dreiklang?

Junge unfd Mädchen draußen auf der Bank sprechen über etwas
© Max Goncharov/ Unsplash

Unsere Bildungsangebote zum Philosophieren mit Kindern stoßen bei den pädagogischen Fachkräften auf viel Interesse. Wir haben externe Fachleute gefragt: Wie gut passt das Philosophieren generell ins pädagogische Konzept vom "Haus der kleinen Forscher"? Und sollten wir den Einsatz des Philosophierens weiter ausbauen?

Das Philosophieren mit Kindern (kurz: PmK) ist seit ein paar Jahren Bestandteil der Lernangebote unserer Stiftung – ein didaktisches Konzept, das in den 1970er Jahren aus den USA kam und hierzulande seitdem in Schulen und Kitas immer mehr angewendet wird. Über Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hat es auch den Weg ins "Haus der kleinen Forscher" gefunden. Dort hilft die Methode, sich mit jungen Kindern gedanklich solchen Fragen an die Welt zu widmen, die den Sinn unseres Daseins und unser Zusammenleben betreffen. Fragen, für die es keine wissenschaftliche Erklärung gibt und die sich nicht eindeutig beantworten lassen. Zum Beispiel: "Wem gehört eigentlich die Natur?", "Darf man Tiere essen?" Oder Fragen, die mit "Was wäre, wenn..." beginnen und die Kinder zu Gedankenexperimenten einladen.
Wir haben schnell festgestellt, dass sich viele Pädagoginnen und Pädagogen im Rahmen des "Hauses der kleinen Forscher" für das Philosophieren mit Kindern und entsprechende Angebote interessieren. Als konkrete Hilfestellung und Anregung für die Fachkräfte gab die Stiftung 2019 ein Bilderbuch mit philosophischen Technikfragen für Kinder heraus – mit Fragen wie: "Wo fängt Technik an?", "Macht Technik das Leben schöner?" Oder: "Wie sähe eine Stadt ohne Autos aus?" Passend dazu gibt es ein kostenfreies Webinar, das 2021 das beliebteste Webinar auf dem Online-Campus der Stiftung war.
Ende letzten Jahres ist die Stiftung an den Punkt gekommen, das Philosophieren mit Kindern mit Hilfe externer Fachleute auf dem Gebiet noch stärker zu beleuchten: Wie gut passt PmK ins pädagogische Konzept vom "Haus der kleinen Forscher"? Und (wie) könnte die Stiftung das Philosophieren mit Kindern für Kitas und Grundschulen bezogen auf MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung weiterentwickeln?

Im Gespräch mit Fachleuten

Im Rahmen eines digitalen Fachforums tauschte sich die Stiftung im November 2021 mit fünf Expertinnen und Experten über das Philosophieren mit Kindern aus:

  • Prof. Dr. phil. habil. Barbara Brüning, Expertin für ethisch-philosophische Bildung
  • Prof. Dr. Kerstin Michalik, Erziehungswissenschaftlerin – Universität Hamburg, Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung des Philosophierens mit Kindern in Deutschland
  • Dr. h.c. phil. Hans-Joachim Müller, Pädagoge und Mitbegründer der Gesellschaft zur Förderung des Philosophierens mit Kindern in Deutschland
  • Dr. Alexander Scheidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Potsdam im Fachbereich Bildungs- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Bildung und Erziehung in der Kindheit
  • Susanne Schubert, Umweltpädagogin und Kulturwissenschaftlerin – Vorstand Innowego - Forum Bildung und Nachhaltigkeit eG

Philosophieren bereichert die Arbeit mit kleinen Forscherinnen und Forschern

Das Philosophieren fördert die kognitive, sprachliche und soziale Entwicklung der Kinder. Mit Kindern erfolgreich zu philosophieren bedeutet, aus einer bestimmten Haltung heraus und unter Anwendung entsprechender Methoden über philosophische Themen wie Natur, Glück, Sterben oder Gerechtigkeit und entsprechenden Fragen nachzudenken (Scheidt, A./Stollreiter, E., 2015: Philosophieren mit Kindern, S. 12, verfügbar unter www.kita-fachtexte.de). Vor allem die pädagogische Grundhaltung ist entscheidend. Fachkräfte, die PmK in ihren Bildungsalltag integrieren, greifen auf eine wertschätzende Haltung zurück und sind davon überzeugt, dass Kinder sehr früh in der Lage sind, philosophische Fragen zu stellen, und bereits komplexe Gedanken haben. Das philosophische Gespräch trägt dazu bei, die Gedankenwelt und Meinungen zu verstehen, Argumente gegenseitig zu prüfen und eigene Haltungen zu entwickeln. Es unterstützt alle zusammen dabei, Fragen an die Welt zu richten, mit Ungewissheit umzugehen und Lösungen für Dilemmata zu suchen. "Ist es gerecht, dass andere Kinder nichts zu essen haben?", "Wieso werden Tiere eingesperrt?" oder "Warum gibt es Krieg?" Dabei kann das Philosophieren vor dem Forschungsprozess stattfinden oder an die Forschungsaktivitäten der Kinder anknüpfen. Neben dem Entdecken und Forschen bereichert das die Arbeit mit den Kindern.

Philosophieren und Forschen: Eine gute Kombi?

Der gemeinsame Austausch mit externen Fachleuten hat der Stiftung geholfen, das Verständnis von PmK zu schärfen und ein Gespür für das Philosophieren als Haltung, Methode und Inhalt zu entwickeln. Die Expertinnen und Experten gaben im Rahmen eines Fachforums wertvolle Hinweise und Einschätzungen ab – zusammenfassend mit folgendem Ergebnis: Das forschende Lernen steht beim "Haus der kleinen Forscher" im Vordergrund der pädagogischen Praxis. Das Philosophieren passe insofern gut dazu, weil es Gemeinsamkeiten mit dem Forschen gibt. Denn beim Philosophieren werde ebenfalls experimentiert – man sagt ja auch: Gedankenexperimente. Und genau wie beim Entdecken und Forschen müssten die Pädagoginnen und Pädagogen dabei mit den Kindern nicht zu einem bestimmten Ergebnis kommen. Außerdem ständen beim "Haus der kleinen Forscher" genau wie beim Philosophieren mit Kindern die Fragen und Interessen der Kinder im Mittelpunkt. Die Frage gelte als wichtigstes Erkenntnisinstrument. Zudem wurde deutlich, dass sich die didaktischen Konzepte "Forschendes Lernen" und "Philosophieren mit Kindern" gegenseitig befruchten. Das Philosophieren könne das Verständnis für naturwissenschaftliche Phänomene stärken und stelle Phänomene in größere Zusammenhänge. Und es könne einen Beitrag leisten zur Förderung der Reflexions- und Urteilsfähigkeit der Kinder, des Umgangs mit Komplexität und Ungewissheit sowie ihrer Entscheidungsfähigkeit. Es stärke die Kinder darin, andere Sichtweisen einzunehmen und fördere ihren Gerechtigkeitssinn, was insbesondere im Rahmen von Bildung für nachhaltige Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Insgesamt zeigte sich durch die Fachgespräche, dass das Philosophieren mit Kindern sehr gut zur Stiftung "Haus der kleinen Forscher" passt.

Wo Philosophieren drauf steht, soll Philosophieren drin sein

Unsere Stiftung möchte das didaktische Konzept des Philosophierens in den nächsten Jahren weiter fördern und die pädagogischen Fachkräfte in Kitas, Horten und Grundschulen noch stärker für die Anknüpfungspunkte zwischen Entdecken, Forschen und Philosophieren sensibilisieren. Beispielsweise können Begriffe, die im Rahmen der MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung als selbstverständlich erscheinen, Anlass für philosophische Gespräche sein: "Was ist eigentlich Natur?", "Was ist überhaupt eine Zahl?" Genauso lädt die Bewertung von Forschungsergebnissen zum Philosophieren ein.
Viele andere Initiativen bieten bereits spannende Materialien und Impulse zum Philosophieren mit Kindern an. Beim "Haus der kleinen Forscher" wird es nun vor allem darum gehen, die hohe Qualität eigener entsprechender Lernangebote aufrechtzuerhalten – sprich: wo Philosophieren drauf steht, soll Philosophieren drin sein. Dazu dienen verschiedene Leitplanken, die unsere Stiftung aus dem Prozess der fachlichen Fundierung gewonnen hat. Zum Beispiel werden wir in Zukunft stärker darauf achten, dass PmK-Angebote das Konzept als regelmäßiges und langfristiges Element in die Kitas, Grundschulen und Horte tragen. So besteht die Möglichkeit für pädagogische Fachkräfte und Kinder, das Philosophieren zu verinnerlichen und im pädagogischen Alltag auf alle Aktivitäten des Philosophierens zurückzugreifen: das Wahrnehmen und Beschreiben, das Verstehen, das Argumentieren, das Abwägen und das Spekulieren. Bis 2025 werden alle Lernangebote fachlich überprüft und ggf. weiterentwickelt. Befragungen der Fachkräfte im Rahmen einer begleitenden Evaluation werden dabei helfen, mehr über das Potenzial von PmK für die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen zu erfahren. Bis 2030 möchte die Stiftung zudem herausfinden, ob sie eventuell ein eigenes Konzept zum Philosophieren mit Kindern im Rahmen von MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung gestalten und umsetzen kann.

Portrait von Sigrid Stobbe
Autor/in: Sigrid Stobbe

Als Referentin für Inhalte und Fortbildung verantworte ich die fachliche Fundierung des didaktischen Konzepts "Philosophieren mit Kindern" für das stiftungsweite Bildungsangebot. Als Bildungswissenschaftlerin interessiert mich ganz besonders, wie Lernbegleitungen Kinder für die Zukunft stark machen können.

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Portrait von Susanne Hein
Autor/in: Susanne Hein

Hallo, ich bin Kommunikationsreferentin im "Haus der kleinen Forscher" und betreue schwerpunktmäßig den Bereich frühkindliche Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).

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