Anpacken gegen die Angst
Der Gedanke an die Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, kann Angst machen. Das gilt für Erwachsene genauso wie für Kinder. Im Interview spricht die Psychologin Lea Dohm darüber, warum Anpacken hilft, wie Pädagog:innen Mädchen und Jungen dabei unterstützen können, zu handeln, statt sich von Sorgen blockieren zu lassen, und warum Nachhaltigkeit nicht immer nur Verzicht bedeutet.
Der Begriff "Klimaangst" findet sich öfter mal in den Medien. Was bedeutet er eigentlich?
Klimaangst kann ganz unterschiedlich ausfallen. Manche haben ein ungutes, eher unterbewusstes Gefühl. Andere machen sich Sorgen darum, was der Klimawandel für ihr Leben bedeutet. Wieder andere haben richtige Panik. Klimaangst ist eine sogenannte Realangst. Das bedeutet, dass die Menschen Angst vor einer Sache haben, deren Existenz wissenschaftlich erwiesen ist. Das ist nichts, was man therapeutisch wegbehandeln könnte. Diese Klimaangst ist weit verbreitet, gerade auch unter Kindern und Jugendlichen.
Wenn Klimaangst unter Kindern verbreitet ist, sollten wir das Thema Klimawandel in Kita und Grundschule besser von ihnen fernhalten?
Nein. Es sollte vielmehr ein Thema sein, das wir alle im Alltag mitdenken und besprechen. Wir sollten es normalisieren und vor allem mit Handlungen verknüpfen. Das bedeutet auch, Nachhaltigkeit nicht als isoliertes Projekt zu sehen, sondern möglichst immer einzubeziehen: beim Mittagessen z. B. genauso wie beim Planen von Kita-Ausflügen. Damit signalisieren wir Kindern: Wir sehen das Problem, wir nehmen es ernst und deshalb tun wir etwas. Außerdem regt ein offener Umgang mit dem Thema Kinder an, selbst darüber und über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen.
Es hilft uns, Ängste zu überwinden, wenn wir eine Perspektive haben.
Lea Dohm, Psychologin
Wie können Pädagog:innen damit umgehen, wenn Kinder Ängste im Zusammenhang mit dem Klimawandel äußern?
An erster Stelle steht, den Kindern zu zeigen, dass wir ihre Ängste sehen und verstehen. Hier ist es auch möglich, dass sich Pädagog:innen den Kindern gegenüber öffnen und sagen: „Ich kenne das. Ich mache mir auch Sorgen.“ Aber nur, wenn sie das möchten und ohne Panik zu verbreiten. Es hilft uns, Ängste zu überwinden, wenn wir eine Perspektive haben. Deshalb ist es wichtig, dass sich Pädagog:innen und Kinder gemeinsam überlegen, was sie konkret machen und verändern möchten. Man sagt auch: „Kein Reden ohne Handeln.“ Wenn Kinder nicht erleben, dass sie selbst und die Erwachsenen um sie herum etwas tun können, kann das ihre Ängste sogar noch verstärken.
"Forscht mit!" und BNE-Bildungsangebot zum Thema "Klimawandel – begreifen und handeln"
Das Interview ist in der "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 3/2024 erschienen.
Der Klimawandel betrifft uns alle. Hitze und andere Extremwetterereignisse werden immer häufiger. Das spüren auch Kinder und sie haben Fragen, Ängste und Sorgen. Passend zu unserem BNE-Bildungsangebot "Was macht der Schneehase ohne Schnee?" gibt unser Magazin Anregungen, um Mädchen und Jungen altersgerecht im Umgang mit dem Klimawandel und dessen Folgen zu stärken. Wie sie das auch ohne Spezialwissen tun können, erfahren Erzieher:innen und Grundschullehrkräfte in unserer pädagogischen Fachzeitschrift "Forscht mit!".
Und wenn Pädagog:innen sich selbst ohnmächtig fühlen angesichts der großen Herausforderungen?
Das Gefühl von Ohnmacht ist eine weitere Variante von Angst. Auch hier hilft es, etwas Konkretes zu tun. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich meine damit weniger Konsumentscheidungen, die wir alle einzeln treffen, als Dinge, die wir zusammen tun können. Denn dann haben wir viel mehr Einfluss. Ich kann das Thema also z. B. in mein Team hineintragen und mit Kolleg:innen schauen, wo größere Hebel in unserer Einrichtung sind. Das kann z. B. das große Thema Ernährung sein oder auch Finanzen. Man kann sich fragen: Bei welcher Bank hat unsere Kita eigentlich ihr Konto? Unterstützen wir damit vielleicht fossile Industrien?
Theoretisch wissen die meisten von uns, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher. Gleichzeitig fallen uns Veränderungen oft schwer. Warum ist das so?
Psychologisch gesehen ist das völlig verständlich: Routinen geben uns Sicherheit und erleichtern uns das Leben. Viele Menschen nehmen beispielsweise beim Einkaufen im Supermarkt immer den gleichen Weg, kaufen immer die gleichen Produkte. Eine Veränderung kostet Energie und kann außerdem erst mal schmerzhaft sein, weil wir uns unter Umständen mit unangenehmen Gedanken auseinandersetzen müssen.
Plötzlich merken wir: Es wird gar nicht alles schlechter.
Lea Dohm, Psychologin
Was brauchen wir – Erwachsene wie Kinder –, um Dinge hin zu mehr Nachhaltigkeit zu verändern?
Gerade beim Thema Nachhaltigkeit fühlt sich vieles erst mal wie Verzicht an. Nach und nach zeigen sich in der Regel dann aber auch Vorteile. Vielleicht verbessert sich ja unsere Gesundheit, wenn wir weniger Fleisch essen. Co-Benefits nennen wir das. Plötzlich merken wir: Es wird gar nicht alles schlechter, sondern wir gewinnen sogar an Lebensqualität dazu. Wir müssen die Veränderung nur zulassen.
Hilft es auch hier, sich mit anderen zusammenzuschließen?
Auf jeden Fall. Es ist schwer, geltende Normen zu verändern. Das, was um uns herum passiert, hat Einfluss auf unser individuelles Verhalten. In jedem Team braucht es deshalb ein oder zwei mutige Vordenker:innen. Die z. B. vorschlagen, dass sie das nächste Sommerfest rund um das Thema Nachhaltigkeit organisieren. Oder die sich Gedanken zur Ernährung in der Kita machen. Es wird immer Menschen geben, die gegen neue Ideen sind, unter den Eltern etwa. Da hilft es, als Team zusammenzustehen, um dem etwas entgegenzusetzen.