Damit der Funke nicht verpufft

Kinder und Pädagoge erforschen die Windkraft
© Christoph Wehrer (c) Stiftung Kinder forschen
Kinder forschen mit einem Windrad aus Pappe

Für erfolgreiche Veränderungen braucht es vor allem eines: ein Team mit einer gemeinsamen Haltung und der Bereitschaft, zusammen an förderlichen Rahmenbedingungen zu feilen. Ein Modellprojekt hat 90 Kitas dabei unterstützt, entdeckendes und forschendes Lernen dauerhaft in den Alltag zu bringen.

Schon öfter hat sich Manuela, Erzieherin aus Ostwürttemberg, bei MINT-Fortbildungen Inspiration geholt und sich bemüht, das Gelernte ins Team zu tragen. Doch zusammen mit allen Kolleginnen und Kollegen eine neue pädagogische Richtung einzuschlagen, die dauerhaft spürbar bei den Kindern ankommt, das sei immer gescheitert. „Nach kurzer Zeit war der Funke verpufft. Das war frustrierend!“, erzählt sie. Eine einzelne Fachkraft könne den Transfer von Gelerntem in die gesamte Einrichtung allein nicht leisten, egal wie sie sich auch bemühe. Das sah auch Manuelas Kita-Leitung so. Sie entschloss sich daher, gemeinsam mit Manuela an einem neuen Kita-Programm teilzunehmen, das diese Lücke schließen sollte.

Ein Team – eine Haltung

21 Monate lang nahmen sie am Programm „KiQ – gemeinsam für Kita-Qualität: Wenn Entdecken und Forschen zum Alltag werden“ der Stiftung Kinder forschen (damals: Stiftung „Haus der kleinen Forscher“) teil. Das Bildungsministerium hat das Programm gefördert, daher war es für die Kitas kostenfrei. Insgesamt 90 Einrichtungen aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Baden-Württemberg erprobten es zwischen September 2020 und Mai 2022.

Ziel des Programms ist es, dass Entdecken und Forschen zu einem selbstverständlichen Teil des Kita-Alltags werden. Denn durch entdeckendes und forschendes Lernen lassen sich vielfältige Kompetenzen der Kinder stärken, z.B. ihre Sprach- oder Problemlösekompetenzen sowie ihre Selbstwirksamkeit. Um dies langfristig in den Alltag zu integrieren, nimmt KiQ die Weiterentwicklung der gesamten Einrichtung in den Blick. Denn Kita-Entwicklung als ein ganzheitlicher Entwicklungsansatz unterstützt Kitas dabei, solche Herausforderungen als Chance für einen positiven Veränderungsprozess zu begreifen und als Team daran zu wachsen.

Das Programm setzt auf das Zusammenspiel zwischen einer pädagogischen Fachkraft, die zur Multiplikatorin für das entdeckende und forschende Lernen qualifiziert wird, einer Leitung, die den Entwicklungsprozess unterstützt, und einem Team, das sich mit dem Konzept aktiv auseinandersetzt. Das geschieht z.B. in Inhouse-Fortbildungen, mit Hilfe einer Bestandsaufnahme und gemeinsam beschlossenen Maßnahmen, die vom Team im Alltag umgesetzt werden. Im Zentrum: eine gemeinsame Haltung zum Entdecken und Forschen im Kita-Team zu fördern sowie gute Rahmenbedingungen für dessen Umsetzung im pädagogischen Alltag zu gestalten. Das kann ein flexibler Tagesablauf sein, der es den pädagogischen Fachkräften ermöglicht, spontan Kinderfragen aufzugreifen und zu begleiten. Oder die Einführung von mobilen Forscherwagen mit verschiedensten Materialien, damit Kinder überall selbstständig entdecken und forschen können. Viele Kitas haben auch ihre Regale umgestaltet, um den Kindern einen stärker selbstbestimmen Zugang zu einem breiten Materialangebot zu ermöglichen.

Als Tandem Veränderungen antreiben

Den Kitas bietet das Programm vielfältige Qualifizierungsmaßnahmen, um sich professionell weiterzuentwickeln. Dazu gehörten eine Fortbildungsreihe im Blended-Learning-Format, also eine Mischung aus Präsenz- und Online-Angeboten, sowie Transfer-Praxisaufgaben. Das Besondere: An der Fortbildungsreihe nahm jede Kita mit einem Tandem aus Fachkraft und Kita-Leitung teil.

In der Fortbildungsreihe lernten die Teilnehmenden, wie sie mit der Methode des wahrnehmenden Beobachtens MINT-Bildungsmomente im Alltag der Kinder erkennen und die Kinder durch gezielte Fragen oder anregende Dialoge einfühlsam begleiten. Zusätzlich können bewusst andere Bildungsbereiche verknüpft werden wie Kreativität oder Sprachförderung. Die Fach- und Leitungskräfte wurden angeregt, die Raum- und Materialausstattung der eigenen Einrichtung unter die Lupe zu nehmen. Insbesondere die Kita-Leitungen haben typische Verläufe, Stolpersteine und Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen kennengelernt und das Tandem gemeinsam Ansätze zum Einbinden des Teams erprobt.

Denn das Tandem initiierte und begleitete gemeinsam die Veränderungen in ihrer Kita, die sinnvoll waren, um entdeckendes und forschendes Lernen im Alltag der Einrichtung umzusetzen und langfristig zu verankern. Dafür war es bei vielen sinnvoll, feste Zeitfenster in Dienstbesprechungen für den fachlichen Austausch im Team oder eine KiQ-Wand mit aktuellen Materialien, Planungen und Erfolgen einzuführen.

Für das erfolgreiche Bewältigen der kitaspezifischen Veränderungsprozesse sieht das Programm eine persönliche Unterstützung für die Kitas durch eine Prozessbegleitung vor Ort vor. Zudem gibt es viel Raum für den Erfahrungsaustausch und gemeinsame Reflexion – innerhalb der Kita-Teams und mit den anderen KiQ-Kitas.

Und das hat sich für alle Beteiligten gelohnt: „Wir waren immer sehr unsicher, was MINT-Bildung betrifft. Wir dachten, wir müssten alles wissen, und wir könnten Fehler machen. Seit der Teilnahme am KiQ-Programm erforschen wir Hand in Hand mit den Kindern die Welt“, erzählt Heike Blum, Kita-Leiterin aus Aalen. Die Fragen der Kinder, die im Alltag auftauchen, bieten dazu viele großartige Gelegenheiten.

So entdeckte ein Kind beim Mittagessen zufällig, dass Rote Bete den Kartoffelbrei einfärbte. Daraus entwickelte sich eine gemeinsame Forschungsaktivität, bei der die Kinder genauer untersuchten, welche Menge des Saftes zum Einfärben von welchem Material benötigt wird. Beim Spielen draußen entdeckten die Kinder, dass bunte Getränkeflaschen in der Sonne einen farbigen Schatten werfen. Gemeinsam erforschten sie den Schatten in seinen unterschiedlichen Formen und starteten den Versuch, zusammen einen Regenbogen zu erzeugen. In einer anderen Kita wollten die Kinder herausfinden, wie sich die sehr schwere Bodenmatte im Turnraum leichter bewegen ließe. Mit Bällen, Papprollen, Holzstäben und Schwimmnudeln machten sie sich auf die Suche nach einer Lösung. Es zeigte sich: Das gemeinsame Entdecken und Forschen machte nicht nur Spaß, die Kinder konnten am Ende tatsächlich die Matte viel leichter bewegen und hatten ein Erfolgserlebnis.

Etwas gemeinsam zu bewegen, um die Chancen und Potenziale des Alltags für und mit den Kindern besser zu nutzen – darum ging es auch im KiQ-Programm. Herausgekommen sind 90 individuelle Wege, die den Teams an Offenheit, Zeit und Kraft abverlangt haben, am Ende aber mit einer Arbeitserleichterung im Alltag und sichtbaren positiven Veränderungen bei den Kindern entlohnt wurden.

Tipps für erfolgreiche Veränderungsprozesse: Schlüsse aus dem Modellprojekt

  • Es ist zielführend, eine Kita über einen längeren Zeitraum kontinuierlich zu begleiten. Denn Kita-Entwicklung braucht Zeit.
  • Kita-Teams benötigen Zeit, um eine gemeinsame Vision für ihr Haus zu entwickeln, und um diese durch Maßnahmen Wirklichkeit werden zu lassen. Außerdem braucht es Zeit für Reflexion und das Herausarbeiten einer gemeinsamen pädagogischen Haltung zum jeweiligen Thema.
  • Hilfreich ist, nicht nur einzelne Fachkräfte fortzubilden, sondern die Kita-Leitung und das Team bewusst einzubeziehen.
  • Ein Tandem aus pädagogischer Fachkraft und Kita-Leitung sollte nach Möglichkeit gemeinsam an externen Fortbildungen teilnehmen, Inhouse-Fortbildungen finden für das gesamte Team statt, eine Prozessbegleitung unterstützt fortlaufend.
  • Ein gemeinsames Verständnis darüber, wie die Lernbegleitungsrolle für die Kinder ausgestaltet und wie sie in der alltäglichen Arbeit gestärkt werden kann, ist eine wichtige Grundlage für gemeinsam getragene Veränderungen.
  • Der Erfahrungsaustausch mit anderen Kitas ist förderlich.

 

Der Artikel ist erschienen in "Meine Kita", didacta Magazin für frühe Bildung, Ausgabe 02/2023.

Portrait von Stephanie Eschen
Autor/in: Stephanie Eschen

Ich bin Referentin für Kommunikation in der Stiftung Kinder forschen.

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