MINT-Bildungsnetzwerke weltweit – und zwar genau jetzt!

Viele verschiedene Personen aus aller Welt sind über ein Netzwerk verbunden
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Netzwerke über Ländergrenzen hinweg werden immer relevanter, wenn es darum geht, die Bildung von Kindern im MINT-Bereich (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu stärken.

Das Fundament einer Gesellschaft, die krisenfest aufgestellt ist, ist eine gute Bildung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Um diese zu gewährleisten und auch dort zu etablieren, wo wenig Ressourcen zur Verfügung stehen, werden Netzwerke immer wichtiger. In solchen Bildungsnetzwerken sind die bisher sechs Mitglieder des Internationalen Dialogs zur MINT-Bildung (International Dialogue on STEM Education, kurz: IDoS) aktiv. Ein Einblick in die Bedeutung und Wirkung ihrer Arbeit.

Ein oft zitiertes Sprichwort besagt: „If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.“ (Übersetzt: Willst du schnell gehen, gehe allein. Willst du weit gehen, gehe mit anderen.) Kollaboration ist ein Schlüssel für das Erreichen großer Ziele. In diesem Sinne kamen die Mitglieder des Internationalen Dialogs im Jahr 2022 gleich mehrmals zusammen, um ihre Erfahrungen und ihr Wissen auf dem Gebiet der frühen MINT-Bildung zu teilen (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwisenschaften, Technik).

Im Zentrum ihres Austauschs steht aktuell die Netzwerkarbeit. IDoS selbst ist ein „Netzwerk aus Netzwerken“, das 2020 mit dem Ziel gegründet wurde, einen fachlichen Austausch auf internationaler Ebene zu ermöglichen, zwischen Organisationen, die sich der Förderung einer hochwertigen MINT-Bildung verschreiben und in ihren Ländern das Bildungsfeld unterstützen, u.a. über die Weiterbildung des pädagogischen Personals in Kitas und Schulen. Innerhalb kurzer Zeit wuchs IDoS auf sechs Mitgliedsorganisationen, sogenannte „Peers“, heran. Ihr gemeinsames Ziel: Kindern weltweit eine hochwertige MINT-Bildung zu ermöglichen und sie stark für die Zukunft zu machen, damit sie selbstbestimmt denken und nachhaltig handeln lernen.

MINT-Bildung als Schlüssel für nachhaltige Entwicklung

Ein kollektives kluges Handeln im Sinne der Nachhaltigkeit könnte im Hinblick auf Klimakatastrophe, Pandemien, Kriege und zunehmende soziale Ungleichheit nicht dringender sein. Hier sind sich die IDoS-Peers einig. Die Politik ist gefragt, länderübergreifend gute Lösungen zu finden und die Rahmenbedingungen im eigenen Land zu verbessern, um gemeinsame Ziele auf Dauer umsetzen zu können. Dazu gehört auch, eine gute Bildung für alle Kinder zu gewährleisten, die die Gesellschaft von morgen entscheidend mitgestalten werden.

Elena Pasquinelli, IDoS-Mitglied und Wissenschaftlerin bei der Fondation La main à la pâte, erklärt: „Wir stehen heute alle vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Klimawandel oder die Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung fordern uns heraus, Lösungen für die Gesellschaft als Ganzes zu finden und Kinder zu befähigen, kritisch und wissenschaftlich zu denken, und ihnen das Wissen zu vermitteln, informierte Entscheidungen zu treffen. Das ist wichtig für Frankreich, aber genauso für alle anderen Länder.“

Bahnbrechende Lösungen verlangen innovative Technologien, die ein hohes Maß an Kompetenz ihrer Entwicklerinnen und Entwickler voraussetzen. Das Problem: Der für Innovationen nötige Fachkräftenachwuchs ist rar gesät. Das bewies nicht zuletzt der MINT-Herbstreport, wonach im Jahr 2022 allein in Deutschland rund 326.000 Mint-Expertinnen und Experten fehlten.

Ähnlich sieht es in anderen westlichen Ländern aus. Die Briten haben ein Matheproblem, welches der Premierminister in seiner Neujahrsrede adressierte. In den USA wird sogar von einer MINT-Krise gesprochen, die auch die nationale Sicherheit bedrohe. Während die Mond-Mission im Kalten Krieg noch eine Revolution in der MINT-Bildung in den USA motivierte, flaute das Interesse an Naturwissenschaften und Technik seit den 80er Jahren wieder ab. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich heute in den Vereinigten Staaten für eine Ausbildung im MINT-Bereich – ähnlich wie in Europa.

IDoS-Mitglieder im Interview über MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Rolle von Netzwerken.

Netzwerke als Verstärker von Wirkung weltweit

MINT-Bildungsnetzwerke sind immer gefragter, wenn es darum geht, Bildungssysteme zu stärken und Kinder schon früh für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern und kompetent zu machen. Netzwerke wirken großflächig und durch Kooperation verschiedenster Akteure aus Bildung, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und der Gesellschaft.

Initiativen wie das LUMA Centre Finland oder die französische Fondation La main à la pâte – beide IDoS-Peers – arbeiten beispielsweise seit langer Zeit eng mit der Wissenschaft und Universitäten zusammen und unterstützen die Praxis dabei, die Qualität des naturwissenschaftlichen Unterrichts in Schulen zu verbessern.

In Kooperation mit der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ sind in Deutschland rund 200 lokale Netzwerkpartner aktiv, die das Fortbildungsangebot der Bildungsinitiative in die Fläche tragen. Zu den Partnern gehören Institutionen wie Kita-Träger, Jugendämter, Industrie- und Handelskammern, Forschungseinrichtungen, Vereine, Unternehmen und Museen. Für den Aufbau und die Koordinierung lokaler Strukturen und die Förderung der Bildungsarbeit vor Ort ist dieses Netzwerkpartnersystem wichtigstes Standbein der Initiative „Haus der kleinen Forscher“.

Ebenfalls auf lokaler Ebene aktiv, dafür aber international aufgestellt, ist die Siemens Stiftung – zum Beispiel mit ihren sogenannten „STEAM-Territories“: Regionen in Lateinamerika, in denen Wissen zu MINT und den Künsten (= STEAM) in örtlichen Gemeinden gestärkt wird. Die lokalen Netzwerke bestehen aus strategischen und operativen Akteurinnen und Akteuren aus Zivilgesellschaft, Regierung, Wissenschaft und Privatwirtschaft. Sie bündeln ihre Interessen und Ressourcen, um MINT-Programme vor Ort anzubieten und das Bildungssystem zu stärken.

Netzwerke sind eine entscheidende Komponente zum Erreichen transformativer Maßnahmen auf lokaler Ebene, die wiederum globale Auswirkungen haben.

Djian Sadadou, OCE

Das Office for Climate Education (OCE) engagiert sich vorwiegend in Entwicklungsländern für die Klimawandelbildung und passt unter anderem die IPCC-Berichte (Berichte über die Folgen des Klimawandels) verständlich für Lehrkräfte und ihren Schulunterricht an. Djian Sadadou ist Netzwerke-Manager beim OCE. Zur Wirkung von Netzwerken erklärt er beispielhaft:

„Der Klimawandel ist ein globales Problem, mit lokalen Lösungen. Um diesen ‚glokalen‘ Ansatz zu verfolgen, brauchen wir Netzwerke. Netzwerke sind eine entscheidende Komponente zum Erreichen transformativer Maßnahmen auf lokaler Ebene, die wiederum globale Auswirkungen haben. […] [Sie] ermöglichen uns eine Hochskalierung von Wirkung, Aktivitäten, Inspiration und nicht zuletzt auch von Hoffnung. Und gerade Hoffnung ist im Kampf gegen Klimaveränderungen und soziale Herausforderungen besonders wichtig.“

Erscheint 2023: Lernpapier zu wirkungsorientierter Netzwerkarbeit

Das erworbene Wissen über wirkungsvolle Netzwerkarbeit tragen die Mitglieder des Internationalen Dialogs gerade in Form eines gemeinsamen Lernpapiers zusammen. Die im Frühjahr 2023 erscheinende Publikation zum Thema „Impact-oriented Networks“ (wirkungsorientierte Netzwerke) zeigt Gelingensfaktoren guter Netzwerkarbeit für frühe MINT-Bildung auf. Das Papier beruft sich dabei sowohl auf wissenschaftliche Erkenntnisse als auch auf die Erfahrungsberichte eines jeden Peers, die speziell für diese Publikation zusammengetragen wurden. Es soll den Peers und anderen MINT-Bildungsinitiativen dienen, die bereits aktiv in Netzwerken arbeiten oder ihre Wirkung weiter vergrößern möchten, und hierzu über Einfluss- und Erfolgsfaktoren von Netzwerkarbeit lernen möchten.

Über den Internationalen Dialog (IDoS)

Der International Dialogue on STEM Education (IDoS) ist eine gemeinsame Initiative der Siemens Stiftung und der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“, die sich weltweit für eine qualitativ hochwertige frühe MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung engagiert. Ziel der Initiative ist es, gemeinsam mit ausgewählten Expertinnen und Experten einen systematischen und regelmäßigen Austausch auf internationaler Ebene zu etablieren, von dem die an der Entwicklung des Bildungssektors ihrer Länder beteiligten Akteure und Organisationen profitieren.

Die Beteiligten mit ihren jeweils eigenen regionalen Netzwerken sollen von und mit den weltweit besten Akteuren im Bereich der frühen MINT-Bildung (sogenannten „Peers“) lernen und so ihre Bildungsarbeit im eigenen Land effizienter, effektiver und wissensbasierter umsetzen.

Portrait von Julia Oberthür
Autor/in: Julia Oberthür

Bildung für alle und #Nachhaltigkeit – diese Themen gehören für mich unbedingt zusammen. Deshalb arbeite ich bei der Stiftung Kinder forschen aus Überzeugung. Als Referentin für Presse, Public Affairs und Digitale Kommunikation unterstütze ich unser Team dabei, ansprechende Texte und klare Botschaften für eine breite Öffentlichkeit zu formulieren. Ich schreibe auch hin und wieder privat. Noch lieber widme ich mich aber der Musik, singe in zwei Bands und übe mich im Gitarrespielen.

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