Von einer, die auszog, das Gendern zu lernen
Großstadtkind oder Landei, Schlüsselkind oder wohlbehütet aufgewachsen, bio-deutsches Elternhaus oder Migrationshintergrund – wie wir uns selbst sehen, hängt von vielen Faktoren ab. Neben den äußeren Umständen gibt es aber auch innere Antreiber. Dazu gehört das Wunschbild, das wir von uns haben: Wie wollen wir sein?
Als ich mich entschieden habe, am Hospitationsprogramm "Out of the Box" des ThinkLabs des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen teilzunehmen, wollte ich mein Selbstbild auf die Probe stellen. Ich wollte einen ehrlichen Blick von außen auf unsere Stiftung werfen und sehen, was wir noch besser machen können.
Das "Out of the Box"-Programm gab mir die Möglichkeit, zwei Tage bei filia - Die Frauenstiftung in Hamburg zu verbringen und einen Blick auf die Arbeit einer Stiftung zu werfen, die so fundamental anders ist als das "Haus der kleinen Forscher". Das "Haus der kleinen Forscher" hat 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei filia arbeiten sechs Frauen. Die Förderpartnerinnen und -partner unseres Hauses sind große Institutionen. Filia ist eine Gemeinschaftsstiftung, die auf Mitmachen angelegt ist und bei der jede Frau Förderpartnerin werden kann. Das Haus der kleinen Forscher versteht sich als überparteiliche Organisation und bezieht oft bewusst keine Stellung. Filia hingegen zeigt Haltung, vor allem beim Thema Frauenrechte. So wurde auch mir der Spiegel vorgehalten.
Auch ich muss mich aus meiner Komfortzone quälen. Gelerntes verlernen und Neues erlernen.
Obwohl ich in einer Stiftung arbeite, in der von 200 Angestellten knapp 180 Frauen sind, spreche ich häufig ausschließlich von Kollegen, Mitarbeitern und Teamleitern. Das wurde mir im Gespräch mit Sonja Schelper, der Geschäftsführerin von filia, klar. Sprache schafft Realität. Das weiß ich natürlich. Unzählige Studien haben gezeigt, dass es eben nicht reicht, Frauen einfach mitzumeinen. Konsequenzen hatte das für meine Sprache bisher dennoch nicht. Auch ich muss mich aus meiner Komfortzone quälen. Gelerntes verlernen und Neues erlernen. Das kostet Kraft und dafür braucht es Motivation. Und genau die habe ich in diesen zwei Tagen im Team von filia gefunden. Denn ich möchte eine Frau sein, die andere Frauen anspricht und ihnen neue Wege aufzeigt. Als Stiftung wollen wir vom "Haus der kleinen Forscher" Mädchen und Jungen für das Lernen begeistern. Dafür muss es uns auch gelingen, beide anzusprechen.
Miteinander in den Dialog gehen
Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Aufgabe in unsere Arbeit tragen kann. Wir sind uns als Stiftung dieser Herausforderung bewusster denn je und bemühen uns ganz explizit um eine gendergerechte Ansprache. Im Bereich Kommunikation diskutieren wir momentan intensiv über gendergerechte Formulierungen und deren Praxistauglichkeit. In Austauschformaten, wie unseren "Bildungshäppchen" erlangen wir eine neue Sensibilität für die Bedeutung des Themas im Arbeitsalltag. In den Dialog miteinander zu gehen, ist ein guter Anfang und auch etwas, was uns als Stiftung ausmacht: Miteinander diskutieren, Argumente abwägen, zuhören können und offen bleiben für Veränderung und Wandel. In einem solchen Umfeld zu arbeiten, in dem ich mich frei entfalten kann und gehört werde, bereitet mir immer wieder Freude. Mit einem ehrlichen Blick in den Spiegel und gemeinsamer Arbeit werden wir immer mehr zu dem, was wir sein wollen – zu unserem Wunschbild.