"Mich hat der Mut beeindruckt"

© René Arnold
Dr. Ekkehard Winter und Michael Fritz bei der Bundepreisverleihung zum "Forschergeist"-Wettbewerb 2018.

Acht Jahre lang war die Deutsche Telekom Stiftung offiziell Partner der Stiftung "Haus der kleinen Forscher". Ende 2020 läuft die bisherige Förderung aus. Zeit für einen Rück- und Ausblick auf die Zusammenarbeit. Dr. Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung, und Michael Fritz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung "Haus der kleinen Forscher", nutzen den Anlass für ein Gespräch über ausgezeichnete Forschergeister, Balanceakte zwischen Qualität und Quantität und die neue Ebene der Zusammenarbeit.

Michael Fritz: Herr Dr. Winter, können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit dem "Haus der kleinen Forscher" erinnern?

Dr. Ekkehard Winter: Die war so früh, dass damals noch gar nicht "Haus der kleinen Forscher" draufstand. Da sich die Deutsche Telekom Stiftung ebenfalls mit MINT-Bildung beschäftigt, war ich in die allerersten Überlegungen involviert, eine frühkindliche Bildungsinitiative in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu schaffen. Das muss etwa 2005 gewesen sein. Die allererste Idee war, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Kitas zu bringen.

Man hat dann verschiedene Ideen jongliert und schließlich entschieden, dass es sinnvoller ist, mit Basisarbeit anzufangen, anstatt Spitzenforscherinnen und -forscher in Kitas zu schicken. So kristallisierte sich die Idee der MINT-Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher heraus.

Fritz: 2006 wurde dann das "Haus der kleinen Forscher" gegründet.

Winter: Wir haben damals als Deutsche Telekom Stiftung gerade ein eigenes Angebot mit dem Projekt „Natur-Wissen schaffen“ zur frühen Bildung in den unterschiedlichen MINT-Bereichen entwickelt. In diesem Projekt entstanden unter anderem Handreichungen zur Umsetzung frühkindlicher MINT-Bildung in der Kita-Praxis. Einige davon waren anfänglich auch in den Forscherkoffern des „Hauses der keinen Forscher“ enthalten. Darüber und über weitere Projekte sind sich die Organisationen im Laufe der Jahre immer nähergekommen, bis wir schließlich offiziell Partner der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ wurden.

Fritz: Über zehn Jahre ist das jetzt schon her. Was war aus Ihrer Sicht von Anfang an eine Besonderheit am "Haus der kleinen Forscher"?

Winter: Was mich am „Haus der kleinen Forscher“ gleich zu Beginn beeindruckt hat, war der Mut, mit seinen Angeboten früh in die Fläche zu gehen. Ich, der ich selbst als Wissenschaftler sozialisiert wurde, war zu Beginn sehr skeptisch, ob dieser Ansatz richtig ist. Aber das „Haus der kleinen Forscher“ hat es absolut goldrichtig gemacht, sich nicht erst fünf Jahre ins Forscherstübchen zurückzuziehen.

Dr. Ekkehard Winter und Michael Fritz sind zur digitalen Bundespreisverleihung des "Forschergeist"-Wettbewerbs zugeschaltet.
© Stiftung Kinder forschen
2020 zeichneten Dr. Ekkehard Winter (links) und Michael Fritz (Mitte) die Bundessieger im "Forschergeist"-Wettbewerb erstmals digital aus.

Fritz: Gibt für Sie ein Highlight in der Zusammenarbeit unserer Stiftungen?

Winter: Auf jeden Fall die Entwicklung des „Forschergeist“-Wettbewerbs, mit dem wir – insgesamt fünfmal – die besten MINT-Projekte in Kitas ausgezeichnet haben. Das Besondere daran ist: Wir wollen damit ja gerade nicht die „Eliteeinrichtungen“ zeigen, sondern einfache und reproduzierbare Ideen, die zum Mitmachen anregen und trotzdem deutlich machen, dass da etwas besonders gelungen ist.

Fritz: An welche Preisträger-Kita denken Sie als erstes?

Winter: Der Kindergarten Schloss Einstein in Iserlohn ist mir deshalb in Erinnerung geblieben, weil wir die Einrichtung 2018 in der Jurysitzung als einen der Bundessieger ausgewählt hatten – und vergessen hatten, dass die Kita schon mal gewonnen haben. Ich fand, das war unter anderem eine Bestätigung der Juryarbeit. Beim "Forschergeist" wird nicht gewürfelt, da geht es um dauerhafte Qualität. Die Kita ist nicht schon mit einem Pluspunkt reingegangen, sondern hat uns erneut mit einem Projekt überzeugt.

Dann ist mir noch das Projekt "Mein Opa war ein Maulwurf" von einer Kita in Dortmund im Gedächtnis geblieben. Da haben sich die Kinder mit dem Bergbau beschäftigt, unter Einbeziehung des Bergbaumuseums. Das fand ich auch absolut großartig. Da ging es unter anderem um Technik und Geologie. Oder jetzt in der aktuellen Wettbewerbsrunde 2020 die Bundessieger aus Sachsen, die sich rund um den 70. Geburtstag ihrer Kita mit Mathematik und Geschichte beschäftigt haben.

Fritz: Ich habe auch noch so ein Highlight, aus einer ganz kleinen Kita in der Eifel. Die Kinder dort haben ganz oft mit dem Inhalt der Schachtel für abgefallene Knöpfe gespielt. Irgendwann hat eine Erzieherin vorgeschlagen: Kommt, wir forschen jetzt eine Woche lang mit den Knöpfen. Also habe sie die Knöpfe gezählt und sortiert nach Formen, nach Größe, nach Gewicht und nach der Anzahl der Löcher. Sie haben Muster gelegt, Türme gebaut und eine Knopffabrik besucht. Das war so ein tolles Projekt, weil es nicht aufwändig war und ganz konkret das Interesse der Kinder aufgegriffen hat.

Winter: Und gleichzeitig hat die Erzieherin dem Forschergeist der Kinder freien Lauf gelassen. Denn das können kleine Kinder ja in einer unnachahmlichen Weise.

Die Bundespreisverleihung zum "Forschergeist"-Wettbewerb 2020

Fritz: Ich weiß, dass Sie aber auch ein paar Bauchschmerzen mit dem "Forschergeist"-Wettbewerb hatten und haben. Welche sind das?

Winter: Eine Sache, die mich umtreibt, ist, dass wir in den Bewerbungen immer noch so viele verpasste Lerngelegenheiten sehen. Dabei kennen viele der Kitas, die sich beim "Forschergeist" bewerben, ja das "Haus der kleinen Forscher" und haben auch schon Fortbildungen besucht.

Dann ist das Fächerspektrum weiter eher eingeschränkt. Das Naheliegende wird als erstes gesehen und beschrieben und das ist in der Regel die lebendige Natur. Darüber will ich mich als Biologe gar nicht beschweren. Im Gegenteil. Trotzdem sehen wir zum Beispiel wenige Projekte im Bereich Physik, dabei gibt es da so viele spannende Phänomene. Licht und Schatten zum Beispiel. An Chemie trauen sich noch weniger Erzieherinnen und Erzieher ran. Und ich habe so viele Projekte gesehen, in denen mathematische Lerngelegenheiten stecken, die nicht genutzt wurden.

Was ich aber auch beobachte: Alles was mit Computern und Medien zu tun hat, kam zu Beginn des "Forschergeist" gar nicht vor. Das hat sich gewandelt.

Fritz: Das Wichtigste am "Forschergeist" ist für mich ein emotionaler Aspekt und zwar die Würdigung der Fachkräfte. Ich weiß noch, wie mal bei einer Bundespreisverleihung eine Erzieherin beim Gruppenfoto hinter mir stand und zu ihrer Nachbarin sagte: "Ich bin jetzt seit 35 Jahren in diesem Job, aber so hat noch niemand Danke zu uns gesagt."

Winter: Das stimmt. Solche Momente sind bei mir auch haften geblieben. Dieser Aspekt ist von ganz, ganz großem Wert.

Es ist eine andere Ebene der Zusammenarbeit, bei der wir MINT-Akteure zusammenbringen und das Thema weiter hochhalten und platzieren.

Dr. Ekkehard Winter, Geschäftsführer Deutsche Telekom Stiftung

Fritz: Fast zehn Jahre der wunderbaren Zusammenarbeit als Partnerstiftung und im Stiftungsrat. Ich glaube, wir haben viel gemeinsam erreicht und haben uns gut ergänzt. Da stellt sich nun die Frage, warum wir aufhören, in dieser Form zusammenzuarbeiten, Herr Winter?

Winter: (lacht) Wir sind ja nun schon seit der Gründung mit involviert. Das ist eine sehr lange Zeit. Und irgendwann kommt mal der Punkt, an dem man sich überlegen muss, ob man sich nicht mal anderen Gebieten zuwendet. Die Deutsche Telekom Stiftung hat die ersten 15 Jahre entlang der Bildungskette gearbeitet, also von der ganz frühen Bildung über die Grundschule, die weiterführende Schule bis hin zu einem Eliteprogramm für MINT-Doktoranden. Aber wir können auf Dauer mit unseren Mitteln nicht weiter alles entlang der Bildungskette bearbeiten, was zu bearbeiten ist.

Also haben wir uns gefragt: Was sind neue Themen? Wir haben außerdem gesehen, dass es nicht nur in den kanonischen Bildungseinrichtungen, also insbesondere in den Schulen, Lerngelegenheiten gibt, sondern auch in vielen non-formalen und informellen Lernorten. Dieses informelle Lernen empfinden wir als interessante Stoßrichtung. Wenn wir aber unseren Blick hier verbreitern, müssen wir uns auf eine Altersgruppe konzentrieren. Das wird die Gruppe der Zehn- bis 16- oder 18-Jährigen sein. Denn wir wissen, dass das das Alter ist, in dem andere Interessen in den Vordergrund treten und uns viele Talente, gerade Mädchen, im MINT-Bereich verloren gehen.

Als Konsequenz verlassen wir jetzt unter anderem das Feld der frühen Bildung. Es liegt also nicht daran, dass wir diese Themen nicht mehr wichtig finden, sondern es war eine rein strategische Entscheidung. Und wir werden die Arbeit der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ weiter mit großem Interesse verfolgen. Schließlich kommen die jungen Menschen in unserer Zielgruppe ja auch aus Kitas und Grundschulen.

Fritz: Sie sorgen dafür, dass die Arbeit, die wir bisher gemeinsam gemacht haben, in der Jugendphase fortgesetzt wird.

Winter: So würde ich es auch sagen. Es ist eine andere Ebene der Zusammenarbeit – zum Beispiel im Nationalen MINT Forum, in dem sich beide Stiftungen engagieren –, bei der wir MINT-Akteure zusammenbringen und das Thema weiter hochhalten und platzieren.

Portrait von Katharina Hanraths
Autor/in: Katharina Hanraths

Als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist es mein Ziel, dass so viele Menschen wie möglich erfahren, was die Stiftung Kinder forschen macht und anbietet. Nicht einfach nur, weil es mein Job ist, sondern weil ich überzeugt bin, dass gute frühe MINT-Bildung Kindern noch viel mehr bringt als bloßes Wissen über Aggregatzustände und Stromkreise.

Alle Artikel von Katharina Hanraths