Institutionalisierung: "Endgültig raus aus der Pubertät"
Seit 1. Januar 2021 wird die Stiftung "Haus der kleinen Forscher" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung institutionell gefördert. In der willkommenen Wertschätzung von guter früher MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung steckt viel Arbeit und Herzblut. Im Interview berichten die Vorstandsmitglieder der Stiftung, Michael Fritz und Angelika Dinges, warum der Schritt für das "Haus der kleinen Forscher" zur rechten Zeit kommt, und worüber sie sich persönlich freuen.
Herr Fritz, Frau Dinges, die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ ist „institutionalisiert“. Was bedeutet das eigentlich ganz konkret?
Michael Fritz: In den fast 15 Jahren, die es die Stiftung jetzt schon gibt, kam ein wesentlicher Teil ihrer Basisfinanzierung von der Helmholtz-Gemeinschaft. Da die Helmholtz-Gemeinschaft zu 90 Prozent vom BMBF gefördert wird, waren das letztlich immer befristete Bundesmittel, um die wir uns in regelmäßigen Abständen neu beworben haben. Das hat sich geändert. Die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ wird seit 1. Januar 2021 institutionell gefördert, das heißt: Sie hat jetzt einen festen Haushaltstitel im Haushalt des BMBF – übrigens das erste Mal, dass eine Bildungsinitiative so gefördert wird. Was es aber vor allem bedeutet, ist, dass die Bundespolitik einmütig bestätigt, wie wichtig es ihr ist, gute frühe MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung dauerhaft zu fördern. Das macht uns stolz, und es treibt uns natürlich auch an.
Angelika Dinges: Neben der Bestätigung, wie wichtig die frühe MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung ist, ist es auch eine Bestätigung für unsere Arbeit und unser stetiges Bestreben nach Verbesserung und Weiterentwicklung unseres Wirkens. Und damit auch eine Auszeichnung der Arbeit aller Mitarbeitenden der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“!
Die Institutionalisierung wurde auf Vorschlag des BMBF am 1. Juli 2020 vom Haushaltsausschuss begrüßt. Seither haben wir, gemeinsam mit großartiger Unterstützung der zuständigen Teams im Haus und dem BMBF in kürzester Zeit alle erforderlichen Voraussetzungen schaffen müssen. Das hat uns vor große Herausforderungen gestellt, gerade weil wir die erste institutionalisierte Bildungsinitiative sind. Und wir haben gemeinsam auch das geschafft! Natürlich führt diese Veränderung auch dazu, dass sich einige Abläufe ändern. Unsere Satzung z.B. wurde entsprechend den Anforderungen an eine durch den Bund geförderte Stiftung angepasst, die Governance der Stiftung hat sich verändert: das heißt wir haben ab dem 01.01.2021 einen neu zusammengesetzten Stiftungsrat, in dem auch Vertreterinnen des BMBF und des Bundestages sitzen. Die Stellen- und Wirtschaftsplanung unterliegt zudem anderen und strengeren Richtlinien, die wir allerdings an vielem Stellen schon jetzt gut erfüllen. Aber, das muss man übrigens auch ganz klar festhalten, wir haben nicht mehr Geld als vorher.
Mit der Welt im Gespräch
Wie lässt sich dieses Bekenntnis der Politik zur Arbeit der Stiftung in deren bisherige Entwicklung einsortieren?
Michael Fritz: Ich bin zwar erst seit 2013 im Vorstand der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“, aber ich war zufälligerweise 2005 bei ihrer Gründung anwesend. Das BMBF hat uns in diesem Vorhaben von Anfang an unterstützt. Die damals designierte Bundesbildungsministerin Annette Schavan saß 2005 bei der Veranstaltung „McKinsey bildet“ mit auf dem Podium, das mehr oder weniger direkt zur Gründung der Stiftung führte. Und schon damals galt: Das „Haus der kleinen Forscher“ geht Herausforderungen mutig entgegen, unterfüttert sein Handeln mit allem, was an Fachwissen zur Verfügung steht, probiert aus, reflektiert dieses Handeln dann und versucht besser weiterzumachen. Dabei bleibt das „Haus der kleinen Forscher“ ständig mit „der Welt“ im Gespräch und nimmt ihre Impulse auf. Der Forscherkreis, auf dem unsere MINT-Pädagogik fußt, steckt also auch in der DNA der Stiftung. Hand in Hand mit der Helmholtz-Gemeinschaft hat das BMBF von Anfang an nicht nur das Was unserer Arbeit gefördert, sondern auch das Wie, also die Art und Weise, wie wir uns selbst organisieren.
Angelika Dinges: Die jetzige Institutionalisierung ist eine weitere Stufe in einer fortdauernden Evolution der Stiftung als Organisation. Während das „Haus der kleinen Forscher“ in seinen Anfangsjahren wie ein gutes Startup funktioniert hat, in dem jede und jeder alle Aufgaben, die anfielen, erledigt, haben wir uns im Laufe der Zeit spezialisiert und professionalisiert, ohne dabei unsere Agilität und Innovationskraft zu verlieren. Der vorausschauende, offensive und unternehmerische Charakter des „Hauses der kleinen Forscher“ kommt ganz bestimmt auch von den großen Stiftungen und ihren Vertreten und Vertreterinnen im Stiftungsrat, die uns seit 2006 begleiten, unterstützen und mit gestalten: der Siemens Stiftung und der Dietmar Hopp Stiftung. Von 2012 bis Ende 2020 förderte auch die Deutsche Telekom Stiftung unsere Arbeit. Seit einem halben Jahr tut dies die Dieter Schwarz Stiftung und ganz aktuell, mit Beginn des Jahres 2021, kam die Friede Springer Stiftung dazu. Alle Stiftungen, die von innovativen UnternehmerInnenpersönlichkeiten gegründet und geprägt wurden.
Die Institutionalisierung ist eine weitere Stufe in einer fortdauernden Evolution der Stiftung als Organisation.
Angelika Dinges
Aber jetzt können wir uns erst einmal eine Runde ausruhen?
Michael Fritz: Auf gar keinen Fall! Das würden weder die Stiftungsräte noch die Menschen in der Stiftung wollen. Und das BMBF hat klar gemacht, dass wir weiter eine Stiftung sein sollen, die sich auch über Projektmittel finanziert. Das bedeutet natürlich, dass wir uns weiter in unterschiedliche Richtungen strecken und entwickeln werden. Zum Beispiel, indem wir uns vermehrt gemeinsam mit Bundesländern auch in der Qualifizierung von Grundschullehrkräften und – unter anderem mit weiteren Stiftungen – in der Entwicklung von Kitas als Organisation engagieren.
Angelika Dinges: Das, was die Arbeit der Stiftung ausmacht: ihr hoher Qualitätsanspruch und ihre Wirkungsorientierung, eine wissenschaftliche Fundierung und die gleichzeitige Nähe zum pädagogischen Alltag - Entwicklung von Ideen also, die im täglichen pädagogischen Umgang mit Kindern wirklich anwendbar sind - und unser einzigartiges Multiplikatorensystem, mit aktuell 211 Netzwerkpartnern überall in Deutschland, wollen Bundestag und BMBF erhalten, stabilisieren und stärken. Ich habe den Eindruck, dass der Anspruch an uns, die bisherige Dynamik beizubehalten, mit der Institutionalisierung sogar etwas steigt. Und um uns darauf vorzubereiten und die Organisation in einem guten Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Anforderungen zu halten, arbeiten wir bereits jetzt daran, unser Profil und unseren Fokus zu prüfen und weiter zu schärfen und uns wieder einmal zu fragen: Wo und wie entfalten wir die größte Wirkung?
Michael Fritz: Wenn man so will, ist die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ jetzt endgültig raus aus der Pubertät. Wir haben eine Phase der Selbstfindung abgeschlossen und mehr Eigenverantwortung übertragen bekommen.
Wir haben eine Phase der Selbstfindung abgeschlossen und mehr Eigenverantwortung übertragen bekommen.
Michael Fritz
Wir bleiben der bestmögliche Partner
Sie haben unsere einzigartige Ressource, die Netzwerkpartner, die unsere Fortbildungen überall in Deutschland anbieten, bereits erwähnt. Ändert sich denn da etwas?
Michael Fritz: Nein. Für unsere Netzwerkpartner sind und bleiben wir der bestmögliche Partner, um vor Ort „Haus der kleinen Forscher“ zu sein. Die institutionelle Förderung der Stiftung ist auch eine Anerkennung und Bestätigung der Arbeit der Netzwerk-Partner und ihrer Investitionen.
Angelika Dinges: Das gleiche gilt für alle anderen Partner, voran unsere Partnerstiftungen und alle weiteren Förderer und Unterstützer. Ohne unsere vielen Partner geht es nicht, mehr noch: ohne sie würde es uns nicht geben.
Wie fühlen Sie sich persönlich, jetzt wo Sie institutionalisiert sind? Hat sich schon etwas verändert?
Michael Fritz: Es ist ein Riesengeschenk, so eine Veränderung mitgestalten zu dürfen. Ich fühle mich sehr privilegiert.
Angelika Dinges: Ich bin einfach stolz auf die Auszeichnung unser aller Arbeit und unseres Modells, blicke zurück auf eine anstrengende Zeit in den vergangenen sechs Monaten und bin meinen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar, dass wir die Transformation in eine institutionell geförderte Stiftung so gut geschafft haben.
Geändert hat sich bereits jetzt der Blick von außen auf uns, das merken wir. Viele Menschen kommen mit guten Ideen und Impulsen auf uns zu. Wir werden nicht alle Ideen umsetzen können, aber wir freuen uns über den Rückenwind und nehmen ihn mit in unseren Strategieprozess 2025, in dem wir gemeinsam mit dem neuen Stiftungsrat, dem Kuratorium, dem wissenschaftlichem Beirat, den Mitarbeitenden und dem BMBF die Zukunft der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ wieder ein Stück weiter gestalten werden.