Globale Gerechtigkeit
Rebecca Freitag ist UN-Jugenddelegierte für nachhaltige Entwicklung und vertritt in dieser Rolle vor allem die Interessen der jungen Generation vor der Weltgemeinschaft. Bereits in der Schule setzte sie sich für mehr Fairness im Bildungsbereich ein. Im Interview schildert sie die Problematik globaler Ungerechtigkeit und macht deutlich, was jetzt aktiv dagegen getan werden kann – und muss.
Was war der Auslöser für Sie, zu sagen: Ich engagiere mich für nachhaltige Entwicklung?
Nachhaltige Entwicklung bzw. auch die globalen UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) umfassen alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: die ökologische, die soziale und die ökonomische. Als Schülerin habe ich mich besonders für die soziale Dimension eingesetzt, zum Beispiel im Bildungsbereich als Schülersprecherin oder stellvertretende Landesschülersprecherin Berlins. Mein Engagement für die Umwelt fing als Fahrradaktivistin an, zu Beginn meines Studiums. Je mehr ich mich dort mit den Klima- und Umweltthemen auseinandersetzte, desto größer wurde mein leidenschaftliches Engagement für nachhaltige Entwicklung.
Wie sieht aus Ihrer Sicht eine Welt aus, in der globale Gerechtigkeit gelebt wird, und was empfinden Sie momentan als besonders ungerecht?
Ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, müssen am meisten darunter leiden. Zum Beispiel durch Extremwetterereignisse, die Häuser zerstören, oder durch die andauernde Trockenheit, die die Ernte vernichtet und Brunnen austrocknen lässt. Es ist nicht nur die Klimakrise, sondern auch unsere westliche Lebensweise, die die Umweltkatastrophen im globalen Süden zuspitzt. Unser immenser Fleischkonsum führt zu erhöhtem Futtermittelanbau – Platz, der eigentlich für Lebensmittelanbau genutzt werden könnte. Die günstigen Preise für die „Fast Fashion“ bedeutet Arbeitsrechtverletzungen und Umweltverschmutzungen am Produktionsort. Globale Gerechtigkeit bedeutet, dass die großen Umweltverschmutzer (Länder sowie Unternehmen) alles in ihrer Macht Stehende tun, um klimaneutral und nachhaltig zu wirtschaften, und diejenigen unterstützen, die bereits jetzt ungerechterweise unter den Konsequenzen leiden.
Mein Engagement für die Umwelt fing als Fahrradaktivistin an.
Rebecca Freitag, UN-Jugenddelegierte für nachhaltige Entwicklung
In diesem Jahr erhielten Bewegungen wie „Fridays for Future“ großen Zulauf durch die junge Generation. Wie lassen sich junge Menschen denn am besten für nachhaltige Themen begeistern?
Was uns das vor allem zeigt, ist, dass die junge Generation offen und „hungrig“ ist für diese Themen und Lösungen dieser Probleme. Der Bildungsbereich muss jetzt darauf reagieren. Am besten mit Bildung für nachhaltige Entwicklung. Das Interesse und die Kreativität junger Menschen muss jetzt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gefördert werden.
Sie sprechen selbst regelmäßig mit Schülerinnen und Schülern über nachhaltige Entwicklung. Wird das Thema in Schulen ausreichend behandelt?
Leider nicht. Viel zu oft hängt die Vermittlung von Nachhaltigkeit vom Engagement der Lehrenden ab. Bildung für nachhaltige Entwicklung sollte meiner Meinung nach unbedingt als fester Bestandteil in den Lehrplänen verankert werden. Fünf Jahre nach der UN-Dekade zur Bildung für nachhaltige Entwicklung ist das allerhöchste Eisenbahn.
In unserer Ausgabe der „Forscht mit!“ beschäftigen wir uns auch mit Generationengerechtigkeit: Was wünscht sich die junge Generation von der älteren?
In erster Linie wünschen wir uns, dass wir bei jeder heute getroffenen Entscheidung mitgedacht werden. Jede Entscheidung sollte „enkeltauglich“, also nachhaltig sein. Wir wünschen uns Offenheit für Neues. Die heutigen Probleme können wir nicht mit alten bestehenden Lösungen angehen. Vor allem wollen wir gehört werden und mitreden, wenn es um unsere Zukunft geht!
Zuletzt noch eine Empfehlung: Was kann jede bzw. jeder Einzelne von uns tun, um zu mehr Fairness beizutragen?
Wenn die 17 Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreicht sind, sind wir der globalen Gerechtigkeit ein großes Stück näher gekommen. Deswegen möchte ich alle ermutigen, ihre Rolle und Beiträge zu diesen globalen Zielen zu finden und zu leisten. Die Diversität dieser Ziele erlaubt, dass wirklich jede bzw. jeder passend zu ihren bzw. seinen Stärken und Interessen etwas finden wird. Und wir brauchen wirklich jede und jeden, um diese zu erreichen.
Das Interview ist auch in der "Forscht mit!"-Ausgabe 03/19 erschienen.